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Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bradley Alan
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Bishop’s Lacey. Etwas später erschien Mrs Bull und schob den Kinderwagen in die entgegengesetzte Richtung, dorthin, wo das Gehölz liegt.«
    »Vielleicht war der Kinderwagen ja leer«, gab ich zu bedenken.
    »Guter Einwand«, meinte Dr. Kissing, »aber sie nahm das Kind heraus, als sie zwischen den Decken nach der Flasche suchte.«
    »Dann konnte Fenella das Kind doch gar nicht entführt haben. «
    »Ganz recht. Ich kam damals zu demselben Schluss.«
    »Aber …«
    »Warum ich mich nicht an die Polizei gewandt habe?«
    Ich nickte stumm.
    »Das habe ich mich auch immer wieder gefragt. Und jedes
    Mal lautete die Antwort, dass es unter anderem daran lag, dass mich die Polizei nie nach der Angelegenheit gefragt hat. Aber das genügt wohl noch nicht ganz als Erklärung, nicht wahr? Hinzu kommt der Umstand, dass man, sobald man ein bestimmtes Alter erreicht hat, sich einfach keinen neuen Ärger mehr aufhalsen möchte. Es ist fast so, als würde man, nachdem man in seinem Leben ein bestimmtes Maß an Kummer erfahren hat, einen Entschuldigungszettel bekommen, den man dann dem obersten Schuldirektor im Himmel vorlegen kann. Verstehst du das?«

    »Ich glaube schon.«
    Lange hörte man nur den Regen trommeln.
    Dann rief auf einmal jemand entrüstet: »Dr. Kissing! Was haben Sie sich bloß dabei gedacht?«
    Es war das Weiße Phantom, die gleiche Pflegerin, der ich schon bei meinem ersten Besuch in Haus Krähenwinkel begegnet war. In ihrer weißen Uniform und den riesigen schwarzen Galoschen, in denen sie durch den rauschenden Regen auf uns zustapfte, sah sie einigermaßen lächerlich aus.
    »Was haben Sie sich bloß dabei gedacht?«, wiederholte sie, als sie unter den Schirm trat. Meiner Erfahrung nach sagen herrische Menschen wie das Weiße Phantom alles doppelt, als müssten sie eine Quote erfüllen.
    »Ich habe mir tatsächlich etwas dabei gedacht, Schwester Hammond«, antwortete Dr. Kissing. »Ich habe nämlich über den traurigen Niedergang der guten Umgangsformen seit dem Ende des Krieges nachgedacht.«
    Das Phantom rümpfte nur die Nase, packte die Griffe des Rollstuhls und schob über den Rasen davon.
    Als die Pflegerin anhielt und die Tür zum Wintergarten öffnete, hörte ich Dr. Kissing rufen: »Horrido, Flavia!«
    Es war ein Jagdruf.
    Ich winkte wild, um ihm zu bedeuten, dass ich ihn verstanden hatte, aber das Phantom hatte ihn schon nach drinnen verfrachtet.

22
    I ch habe schon des Öfteren die Erfahrung gemacht, dass Unschlüssigkeit zu plötzlicher Entschlossenheit führen kann.
    Ich weiß nicht, ob es daran lag oder ob Gladys sich gegen mich durchsetzte, aber mit einem Mal schwenkten wir von der Hauptstraße ab und bogen in die Rinne ein.
    Wenn ich nach der Begegnung mit Fenella ins Dorf gefahren war, hatte ich um die unfreundliche Mrs Bull immer einen großen Bogen gemacht, so wie eine Stubenfliege um eine zusammengerollte Zeitung. Aber die Rinne kürzte meinen Heimweg ab – und was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.
    Obwohl Gladys’ schwarzer Lack inzwischen voller Schmutzspritzer war, wirkte sie so ausgelassen, als wäre sie gerade eben frisch gestriegelt und auf Hochglanz poliert worden.
    »Das gefällt dir wohl, altes Mädchen?«, fragte ich, und sie knarrte freudig.
    Ob Mrs Bull an ihrem Gartentor auf der Lauer lag? Musste ich mich etwa wieder für Margaret Vole ausgeben, die Nichte der erfundenen – aber sehr beliebten – Charakterdarstellerin Gilda Dickinson?
    Ich hatte Glück. Mrs Bull war nirgends auf ihrer qualmenden Abfallhalde zu sehen.
    Ihr rothaariger Sohn, der auf dem Baum gesessen hatte, als ich mit Fenella durch die Rinne gefahren war, hockte jetzt im Straßengraben und buddelte sich mit einer Gabel bis nach China durch.

    Ich bremste und stellte beide Füße auf den Boden.
    »Hallo«, sagte ich. »Wie heißt du denn?«
    Keine besonders geistreiche Gesprächseröffnung, aber ich war es nicht gewohnt, mich mit kleinen Kindern zu unterhalten. Es spielte ohnehin keine Rolle, weil mich der kleine Halunke einfach ignorierte.
    Sein Alter konnte ich schwer schätzen, irgendetwas zwischen vier und sieben. Der große Kopf schwankte auf einem mageren Körper, was ihm das Aussehen eines Riesenbabys oder eines kleinwüchsigen Erwachsenen verlieh.
    Als ich gerade weiterfahren wollte, quäkte er plötzlich: »Timofy.«
    »Timothy?«
    Abermals entstand eine peinliche Pause, und ich trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Timofy.«
    »Ist deine Mutter da, Timofy?«
    »Weif nich

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