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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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genommen.
    »Als Lehrer müssen Sie ein wahrer Zauberer gewesen sein, Sir.«
    »Ja, das war ich wohl … zu meiner Zeit. Und jetzt hast du mir meinen kleinen Schatz wiedergebracht.« Er heftete den Blick wieder auf die Briefmarken.
    Damit hatte ich nicht gerechnet, ja, ich war gar nicht auf die Idee gekommen. Ich hatte nur herausfinden wollen, ob der Besitzer des Rächers noch am Leben war. Anschließend hätte ich Vater die Marke ausgehändigt, der sie der Polizei übergeben hätte, die wiederum dafür sorgen würde, dass sie ihrem rechtmäßigen Besitzer zurückerstattet würde. Dr. Kissing merkte sofort, dass ich verunsichert war.
    »Andere Frage«, sagte er. »Was hättest du getan, wenn du hergekommen wärst und man dir mitgeteilt hätte, dass ich bereits in den ewigen Jagdgründen weile?«
    »Sie meinen … dass Sie gestorben wären, Sir?«
    »Ach, richtig, so heißt das ja, ›gestorben‹.«
    »Dann hätte ich die Marke wahrscheinlich meinem Vater gegeben.«
    »Damit er sie behält?«
    »Er weiß bestimmt, was damit zu tun ist.«
    »Das dürfte der Besitzer der Marke wohl am allerbesten wissen, oder?«
    Ich wusste schon, dass die richtige Antwort »Ja« lautete, aber es wollte mir nicht über die Lippen. Ich wollte die Marke unbedingt Vater geben, auch wenn mir das eigentlich nicht zustand. Genauso dringend wollte ich beide Marken Inspektor Hewitt übergeben. Warum bloß?
    Dr. Kissing zündete sich noch eine Zigarette an und sah aus
dem Fenster. Dann nahm er eine der beiden Marken aus dem Umschlag und gab mir die andere.
    »Hier hast du die AA. Sie ist nicht mein, sie gehört mir nicht, wie es im Volkslied heißt. Soll dein Vater damit verfahren, wie er es für richtig hält. Es ist nicht an mir, das zu entscheiden.«
    Ich nahm den Rächer von Ulster entgegen und schlug ihn vorsichtig in mein Taschentuch ein.
    »Die exquisite kleine TL dagegen gehört mir, da beißt die Maus keinen Faden ab.«
    »Sie freuen sich doch bestimmt, dass Sie die wertvolle Marke wieder in Ihr Album einsortieren können, Sir«, sagte ich enttäuscht und steckte den anderen Rächer ein.
    »In mein Album?« Sein krächzendes Lachen endete in einem Hustenanfall. »Meine Alben sind längst, wie es der selige Dowson einmal nannte, vom Winde verweht.«
    Er wandte das Greisengesicht wieder dem Fenster zu und schaute geistesabwesend in den Park hinaus, wo die beiden alten Damen unter den vom Sonnenschein besprenkelten Buchen immer noch wie exotische Schmetterlinge umherflatterten und eine Art kunstvollen Tanz aufführten.
    »So viel hab ich vergessen, Cynara, vom Winde
verweht,
Die Rosen, übermütig in die Menge geworfen,
Der Tanz, um nicht an deine bleichen Lilien zu denken,
Doch elend war ich, krank vor einst’ger
Leidenschaft,
Die ganze Zeit, denn lang hab ich getanzt …
Ich war dir treu, Cynara - doch auf meine Art!
    Das stammt aus seinem Non Sum Qualis eram Bonae Sub Regn o Cynarae , du kennst es vielleicht.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Aber es ist sehr schön.«
    »An einem so abgeschiedenen Ort wie diesem untergebracht
zu sein«, sagte Dr. Kissing mit ausholender Gebärde, »ist, wie man schon am baufälligen Äußeren dieses noblen Anwesens erkennt, auch finanziell einigermaßen ruinös.«
    Er sah mich an, als hätte er einen gelungenen Witz gemacht. Als ich keine Miene verzog, zeigte er auf den Tisch.
    »Gib mir mal eins von den Alben. Das oberste.«
    Da sah ich erst, dass unter der Tischplatte noch ein Fach angebracht war, in dem zwei dicke, in Leder gebundene Alben klemmten. Ich pustete den Staub weg und reichte ihm das oberste.
    »Nein, nein … schlag du es auf.«
    Ich öffnete das Album auf der ersten Seite, die nur zwei Marken enthielt, eine schwarze und eine rote. Doch an den gummihaltigen Spuren und den mit einem Lineal gezogenen Linien erkannte man, dass die Seite einmal voll gewesen sein musste. Ich blätterte zur nächsten Seite weiter … und zur übernächsten. Das Album war nur noch eine ausgeweidete Hülle, geplündert und so spärlich bestückt, dass es sogar ein Schuljunge schamhaft versteckt hätte.
    »Wie du siehst, kostet es nicht wenig, ein noch schlagendes Herz zu versorgen. Quadrätchen für Quadrätchen trennt man sich von seinem Leben. Viel ist nicht mehr davon übrig, was?«
    »Aber der Rächer von Ulster! «, rief ich aus. »Der muss doch ein Vermögen wert sein!«
    »Allerdings.« Dr. Kissing betrachtete seinen Schatz abermals durch die Lupe.
    »In Romanen ist manchmal von einer Gnadenfrist zu

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