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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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früher Morgen war, hatten sich die Bäume vor dem Salonfenster von gelb über orange nach grau verfärbt, und der Farbton des Himmels war von Kobaltblau zu Tiefschwarz umgeschlagen.
    Mrs Mullet hatte ein Tablett mit Hefebrötchen hereingebracht und die Vorhänge zugezogen. Feely saß auf der Couch und begaffte sich in der Rückseite eines Teelöffels, Daffy fläzte sich in Vaters altem Polstersessel am Kamin. Sie las uns laut aus Penrod vor, einem Buch, das sie aus dem Regal mit Harriets Lieblingskinderbüchern in ihrem Ankleidezimmer requiriert hatte.
    Penrod Schofield war zwölf, ein Jahr und ein paar Monate älter als ich, aber altersmäßig doch nahe genug an mir dran, um mein flüchtiges Interesse zu wecken. Er kam mir vor wie eine Art Huckleberry Finn, aber in die Zeit des Ersten Weltkriegs versetzt, irgendwo in einer ungenannten Kleinstadt im amerikanischen Mittelwesten. Obwohl in dem Buch lauter Ställe, Gässchen, hohe Bretterzäune und Lieferwagen vorkamen, die damals noch von Pferden gezogen wurden, erschien mir die ganze Szenerie so fremd, als spielte die Geschichte auf dem Planeten Pluto. Feely und ich hatten uns gebannt von Daffy Scaramouche, Die Schatzinsel und Die Geschichte zweier Städte vorlesen lassen, aber Penrod und seine Welt waren uns aus unerfindlichen Gründen so fern wie die letzte Eiszeit. Feely, die jedem Buch eine Tonart zuzuordnen pflegte, meinte, es sei in c-Moll geschrieben.

    Trotzdem hatten wir hin und wieder lachen müssen, wenn Penrod gegen seine Eltern und die Obrigkeit rebellierte, aber ich hatte mich schon damals gewundert, was die junge Harriet de Luce an diesem aufsässigen Jungen spannend und womöglich liebenswert gefunden hatte. Vielleicht kam ich der Antwort jetzt näher.
    Die amüsanteste Szene schilderte meiner Erinnerung nach, wie Penrod dem scheinheiligen Reverend Mr Kinosling vorgestellt wird, der ihm den Kopf tätschelt und im breitesten Mittelwesten-Dialekt sagt: »Bestimmt werden wir irgendwann noch richtig gute Freunde.« Genau mit dieser Art von Herablassung hatte auch ich es immer wieder zu tun, und wahrscheinl ich habe ich mich totgelacht.
    Das Entscheidende war jedoch, dass Penrod ein amerikanisches Buch war, verfasst von einem Amerikaner. Es dürfte in England längst nicht so bekannt sein wie auf der anderen Seite des Ozeans.
    Ob Bob Stanley alias Frank Pemberton hier in England auf das Buch beziehungsweise den Satz gestoßen war? Das war natürlich möglich, trotzdem hielt ich es für unwahrscheinlich. Und hatte mir Vater nicht erzählt, Bob Stanley, ebenjener Bob Stanley, der Horace Bonepennys Komplize gewesen war, sei nach Amerika ausgewandert, wo er einen zwielichtigen Briefmarkenhandel betrieben hatte?
    Pemberton sprach mit amerikanischem Akzent! Ein ehemaliger Greyminsterianer mit einem Anflug von Neuer Welt.
    Wie beschränkt ich doch gewesen war!
    Der nächste Blick aus dem Fenster offenbarte mir, dass Mrs Fairweather verschwunden und die Cow Lane wieder menschenleer war. Ich ließ das Buch offen auf dem Tisch liegen, schlüpfte ins Freie und ging von der Rückseite der Garage aus zum Fluss.
    Vor hundert Jahren war der Fluss Efon einmal Teil eines Kanalsystems gewesen, von dem heutzutage bis auf den Treidelpfad
kaum mehr etwas übrig war. Am Ende der Cow Lane standen noch ein paar verfaulte Pfähle, wie sie früher das ganze Ufer gesäumt hatten, aber weiter in Richtung Kirche war der Fluss über die verfallenen Uferbefestigungen getreten und hatte sich hier und da zu kleinen Teichen verbreitert, von denen sich der eine mitten in der morastigen Senke gleich hinter der Kirche St. Tankred befand.
    Ich kletterte über das morsche Friedhofstor und stand auf dem alten Kirchhof, wo die alten Grabsteine wie kreuz und quer treibende Bojen aus einem Grasmeer aufragten. Das Gras war so hoch, dass ich hindurchwaten musste wie ein Badegast, der bis zur Hüfte im Meer steht.
    Die ältesten Gräber und diejenigen der wohlhabendsten verblichenen Gemeindemitglieder standen nah bei der Kirche, während hier hinten an der Feldsteinmauer jene der erst kürzlich Verstorbenen zu finden waren.
    Abgesehen davon gab es auch eine senkrechte Schichtung. Fünfhundert Jahre ununterbrochener Benutzung hatten dem Friedhof das Aussehen eines Brotlaibs verliehen: ein dickes, frisch gebackenes, grünes Brot, das beträchtlich über das Niveau des Bodens ringsum aufgegangen war. Bei dem Gedanken an die gärenden Überreste unter meinen Füßen überlief mich ein wohliger

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