Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie
Schoppen!«
»Mach’s gut, Kumpel«, ließ die andere verlauten. »Wir sehen uns dann am Sonntag.«
»Sag George, er kann ruhig sein letztes Hemd auf Seastar setzen. Aber bloß nicht das vorletzte!«
Das war nur einer der blöden Sprüche, wie Männer sie oft sagen, um das letzte Wort zu haben. Es war überhaupt nicht lustig; trotzdem lachten alle drei und klopften sich vermutlich auf die Schenkel, und dann spürte ich den Laster schon schwanken, als die beiden Männer in die Fahrerkabine kletterten. Der Motor sprang stotternd an, und wir fuhren los - rückwärts.
Tully winkte uns nach links und dann wieder nach rechts und zeigte mit den Händen den Abstand zwischen Heckklappe und Hausmauer an. Wenn ich jetzt hinausgesprungen wäre, wäre ich geradewegs in seinen ausgebreiteten Armen gelandet.
Ich musste warten, bis wir durch den Torbogen und auf der Dorfstraße waren.
Als Letztes sah ich Tully wieder zur Tür gehen - und Gladys, die noch an dem Bauholzstapel lehnte.
Der Laster bog scharf um die Kurve und beschleunigte. Ich bekam einen Laib Wensleydale auf die Birne, und der Käse und ich schlitterten über die raue Ladefläche. Als ich mich wieder aufgerappelt hatte, verschwamm die Hauptstraße hinter uns auch schon in einer Schliere aus grünen Hecken, und Bishop’s Lacey verschwand in der Ferne.
Jetzt ist es passiert, Flave, dachte ich. Vielleicht siehst du deine Familie nie wieder.
So verlockend mir diese Vorstellung zunächst erschien, so schnell wurde mir klar, dass mir Vater sehr wohl fehlen würde - jedenfalls ein bisschen. Ohne Ophelia und Daphne zu leben … daran würde ich mich bestimmt bald gewöhnen.
Bis dahin wäre Inspektor Hewitt natürlich zu dem Schluss gekommen, dass ich selbst den Mord begangen und die Flucht ergriffen hatte, um mich auf einem Seelenverkäufer nach Britisch Guayana durchzuschlagen. Er würde sämtliche Häfen in Alarmbereitschaft versetzen, damit man dort nach einer elfjährigen Mörderin mit Zöpfen und Trägerrock Ausschau hielt.
Wenn sie dann aber zwei und zwei zusammengezählt hatte, würde die Polizei ihre Spürhunde auf eine Flüchtige ansetzen, die nach »Omas handgemachtem Käse« roch. Deswegen würde ich den Geruch abspülen müssen, vielleicht in einem kleinen Wildbach, wo ich meine Kleider waschen und zum Trocknen auf einen Brombeerbusch hängen konnte. Natürlich würden sie Tully vernehmen, Ned und Mary ausquetschen, und im Handumdrehen daraufkommen, wie mir die Flucht aus dem Dreizehn Erpel gelungen war.
Die Dreizehn Erpel.
Wie kommt es bloß, überlegte ich, dass die Leute, die sich die Namen für Gasthäuser und Kneipen ausdenken, derart fantasielos
sind? Die Dreizehn Erpel hatten ihren Namen, wie mir Mrs Mullet einmal erzählt hatte, bereits im 18. Jahrhundert erhalten, und zwar von einem Besitzer, der einfach die zwölf anderen Erpel durchgezählt hatte, die es schon in den Nachbardörfern gab, und ihnen noch einen hinzugefügt hatte.
Warum konnte man ein Wirtshaus nicht nach etwas benennen, das einen praktischen Nutzen hatte? Wie wäre es mit: Die Dreizehn Kohlenstoffatome? Das wäre doch immerhin eine Eselsbrücke! Es gab dreizehn Kohlenstoffatome in Tricedyl, dessen Hydrid Sumpfgas war. Das wäre doch mal ein passender Name für eine Kneipe gewesen!
Die Dreizehn Erpel - also wirklich. Das konnte auch nur einem Mann einfallen, ein Haus nach irgendwelchen Vögeln zu benennen.
Ich war in Gedanken noch mit Tricedyl beschäftigt, als am Heck des Lasters ein oben abgerundeter, weiß getünchter Stein vorbeisauste. Der Stein kam mir bekannt vor, tatsächlich, es war der Wegweiser nach Doddingsley. Noch eine halbe Meile, dann würde der Fahrer anhalten müssen, wenn auch nur kurz, ehe er entweder rechts nach St. Elfrieda oder links nach Nether Lacey abbog.
Ich rutschte an die Kante der Ladefläche, da quietschten auch schon die Bremsen, und der Laster fuhr langsamer. Und schon ließ ich mich wie ein Spezialagent, der sich aus einem Whitley-Bomber fallen ließ, herunterfallen und landete auf allen vieren im Straßenstaub.
Ohne in den Rückspiegel zu schauen, bog der Fahrer nach links ab, und als das Fahrzeug samt seiner Käsefracht in einer Staubwolke davonrumpelte, machte ich mich auf den Heimweg nach Buckshaw.
Ich hatte noch einen ordentlichen Fußmarsch querfeldein vor mir.
9
I ch glaube, wenn meine Schwester Ophelia irgendwann mal tot und begraben ist, wird mir bestimmt jedes Mal, wenn ich an sie denke, zuerst ihr sanfter Anschlag am Klavier
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