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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Schaustücke, die ich besichtigen wollte, weshalb der königliche Rächer meine Aufmerksamkeit nur kurz in Anspruch nahm.
    Kurz bevor die Ausstellung ihre Tore schloss, befand ich mich auf der entgegengesetzten Seite der Halle und betrachtete einen postfrischen Bogen, den ich mir eventuell zuzulegen gedachte, als ich zufällig den Blick umherschweifen ließ und einen auffallend roten Haarschopf erblickte, einen Schopf, wie ihn nur ein einziger Mensch besaß.
    Es war natürlich Bony. Er hielt gerade einen kleinen Vortrag vor ein paar Sammlern, die vor der königlichen Marke verweilt hatten. Es kam zu einer hitzigen Diskussion, und es hatte den Anschein, als brächte etwas, das Bony gesagt hatte, einen der Aufseher in Rage, denn er schüttelte energisch den Kopf, während beide Männer immer lauter wurden.
    Ich glaubte nicht, dass Bony mich gesehen hatte, und ich legte auch keinen Wert darauf.
    Zufällig kam gerade ein alter Freund aus Armeetagen vorbei, Jumbo Higginson, der mich zu einem späten Abendessen
und auf einen Drink mitschleifte. Guter alter Jumbo … es war nicht das erste Mal, dass er gerade dann auftauchte, wenn es brenzlig wurde.«
    Vaters Blick verschleierte sich, und ich merkte, dass er in eins seiner persönlichen Kaninchenlöcher abgetaucht war, die ihn so oft verschluckten. Manchmal fragte ich mich, ob ich mich wohl je an sein unvermitteltes Verstummen gewöhnen würde. Aber dann, wie ein blockiertes Uhrwerk, das jäh wieder zum Leben erwacht, wenn man mit dem Finger dagegenschnippt, setzte er seine Geschichte fort, als hätte er sich nie unterbrochen.
    »Als ich an diesem Abend auf der Heimfahrt im Zug die Zeitung aufschlug, erfuhr ich, dass der Rächer des Königs gegen eine Fälschung vertauscht worden sei, und das anscheinend in aller Öffentlichkeit, vor der Nase etlicher unbescholtener Philatelisten und zweier Sicherheitsbeamter. Tja, ich wusste nicht nur, wer den Diebstahl ausgeführt hatte, sondern auch, zumindest ungefähr, wie der Betreffende es angestellt hatte.
    Als dann letzten Freitag die tote Zwergschnepfe vor unserer Tür lag, wusste ich sofort, dass Bony hier gewesen war. ›Schnäppi‹ war in Greyminster mein Spitzname gewesen, weil ich beim Essen immer so gierig zugriff und den anderen die letzte Scheibe Wurst wegschnappte. Die Buchstaben in der Ecke der Penny Black vervollständigten seinen Namen. Es ist alles reichlich verwickelt.«
    »B One Penny H«, sagte ich. »Bonepenny, Horace. In Greyminster wurde er Bony genannt, und du warst Schnäppi. Das habe ich längst herausgefunden.«
    Vater sah mich an, als wäre ich eine Natter und er müsste überlegen, ob er mich an die Brust drücken oder lieber aus dem Fenster werfen sollte. Er fuhr sich ein paarmal mit dem Zeigefinger über den Mund, als wollte er seine Lippen versiegeln, erzählte dann aber doch weiter.
    »Obwohl sich Bony bestimmt noch irgendwo in der Nähe
aufhielt, war ich nicht auf das weiße, ausgemergelte Gesicht vorbereitet, das plötzlich draußen am Fenster meines Arbeitszimmers erschien. Es war nach Mitternacht. Ich hätte mich weigern sollen, mit ihm zu reden, aber er drohte mir damit …
    Er verlangte, dass ich ihm beide Rächer abkaufte: den einen, den er kürzlich gestohlen hatte, und den anderen, den er seinerzeit aus Dr. Kissings Sammlung hatte verschwinden lassen.
    Er war davon unterrichtet, dass ich ein wohlhabender Mann bin. ›So eine gute Investition wird dir nicht noch mal geboten‹, meinte er.
    Als ich erwiderte, dass ich kein Geld hätte, drohte er, der Polizei mitzuteilen, dass ich den Diebstahl des ersten Rächers geplant und den zweiten selbst gestohlen hätte. Bob Stanley würde seine Behauptungen bezeugen. Schließlich sei ich Briefmarkensammler, nicht er.
    War ich denn nicht beide Male in der Nähe gewesen, als die Marken verschwanden? Der Mistkerl deutete sogar an, dass er die Rächer vielleicht schon - vielleicht schon, man stelle sich vor! - in meiner Sammlung versteckt habe.
    Nach unserem Gespräch war ich viel zu aufgewühlt, um schlafen zu gehen. Nachdem Bony weg war, ging ich stundenlang in meinem Arbeitszimmer auf und ab, überlegte hin und her und kam zu keinem Schluss. Ich hatte mich seit jeher für Mr Twinings Tod mitverantwortlich gefühlt. Es kostet mich große Überwindung, das zuzugeben, aber so ist es nun mal. Mein Schweigen hatte unmittelbar zum Selbstmord des liebenswürdigen alten Herrn geführt. Hätte ich als Schuljunge nur die innere Stärke gehabt, meinen Verdacht

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