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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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brüllte er. »Untersteh dich!«
    Nialla verdrehte die Augen in meine Richtung, woraufhin Rupert sie sofort losließ.
    »Verdammt noch mal. Ich hab mich gerade rasiert. Ich hätte mir die Kehle durchschneiden können.«
    Er reckte das Kinn und fuhr sich mit dem Finger um den Hals, als befreite er sich von einem unsichtbaren Kragen.
    Schon komisch, dachte ich. Er hat noch einen Stoppelbart, und vor allem sieht man kein bisschen Rasierschaum.
     
    »Die Würfel sind gefallen«, sagte der Vikar.
    Summend wie ein Kreisel war er quer über den Friedhof auf
uns zugekommen, eine erst schwarze und dann weiße Gestalt im Nebel, hatte sich die Hände gerieben und schon von Weitem gerufen: »Cynthia hat sich bereit erklärt, in der Sakristei ein paar Handzettel anzufertigen! Die sind dann noch vor dem Mittagessen verteilt. Aber erst mal in puncto Frühstück …«
    »Wir haben schon gefrühstückt, vielen Dank.« Rupert wies mit dem Daumen auf das Zelt, das jetzt ordentlich zusammengelegt im Gras lag. Diesmal sagte er die Wahrheit. Ein paar Rauchfäden stiegen noch vom erstickten Feuer auf. Rupert hatte eine Kiste mit Holzspänen aus dem Kombi geholt und im Handumdrehen ein vorbildliches Lagerfeuer entfacht. Anschließend hatte er eine Kaffekanne, einen Laib Brot und ein paar angespitzte Äste angeschleppt, mit deren Hilfe man Toast rösten konnte. Nialla hatte irgendwo in ihrem Gepäck sogar ein Glas Marmelade aufgetrieben.
    Der Vikar ließ sich nicht beirren. »Wirklich nicht? Ich soll Sie nämlich extra von Cynthia fragen, ob …«
    »Nein, wirklich nicht«, erwiderte Rupert. »Wir sind es gewohnt, uns …«
    »Uns selbst zu behelfen«, kam es von Nialla.
    Der Vikar gab auf. »Tja, wenn das so ist … Wollen wir dann gleich in den Saal gehen?«
    Er ging uns bis zum Gemeindesaal voran, und während er den Schlüsselbund hervorkramte, drehte ich mich um und schaute zum Friedhofstor hinüber. Falls dort jemand gewesen war, war er inzwischen weggelaufen. Ein nebliger Friedhof bietet unzählige Verstecke. Jemand konnte keine zehn Schritte entfernt hinter einem Grabstein kauern, ohne dass man ihn bemerkt hätte. Nach einem letzten skeptischen Blick in den sich lichtenden Nebel ging ich ins Haus.
     
    »Na, Flavia, was hältst du davon?«
    Es verschlug mir schier den Atem. Was gestern noch eine kahle Bühne gewesen war, bot sich heute als vorzügliches
kleines Puppentheater dar, und zwar als eines, das über Nacht wie durch Zauberhand geradewegs aus dem Salzburg des 18. Jahrhunderts hierhertransportiert worden zu sein schien.
    Die etwa anderthalb bis zwei Meter breite Spielöffnung wurde von zwei roten, mit goldenen Troddeln versehenen Samtvorhängen verdeckt, auf die die Masken von Komödie und Tragödie gestickt waren.
    Rupert verschwand hinter der Bühne, und kurz darauf sah ich voller Staunen, wie nacheinander eine ganze Reihe Rampenlichter, rot und grün und gelb, aufleuchteten, bis die untere Hälfte des Samtvorhangs einem Regenbogen glich.
    Als sich der Vorhang langsam öffnete, hielt der Vikar neben mir ehrfürchtig die Luft an und rang verzückt die Hände.
    »Das magische Königreich!«, hauchte er.
    Vor unseren Augen duckte sich ein malerisches Landhäuschen mit Strohdach und Fachwerkfassade zwischen grüne Hügel. Das Haus war bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, angefangen von der Holzbank unter dem Fenster bis hin zu den kleinen Krepppapierrosen im Vorgarten.
    Einen Augenblick wünschte ich mir, dort zu wohnen. Ich wäre gern geschrumpft und in die kleine Bilderbuchwelt hineingekrochen, in der jeder Gegenstand von innen zu leuchten schien. Sobald ich es mir in dem Häuschen gemütlich gemacht hätte, würde ich mir hinter den winzigen Sprossenfenstern ein Chemielabor einrichten und …
    Ein dumpfer Aufprall und ein derbes »Verdammter Mist!« aus dem blauen Bühnenhimmel brachen den Zauber.
    »Nialla!«, schimpfte Rupert hinter dem Vorhang. »Wo ist der Haken für dieses Dingsbums?«
    »Entschuldige, Rupert«, erwiderte sie, wobei mir auffiel, dass sie sich mit der Antwort Zeit ließ. »Der muss noch im Auto sein. Du wolltest ihn doch schweißen lassen, weißt du nicht mehr?«

    »Der Haken hält nämlich den Riesen«, erklärte sie uns. »Aber«, sie grinste mich an, »allzu viel wollen wir noch nicht verraten. Sonst geht der ganze Zauber flöten, nicht wahr?«
    Ehe ich antworten konnte, ging die Hintertür des Gemeindesaals auf, und im hellen Sonnenlicht zeichnete sich die Silhouette einer Frau ab. Es war Cynthia,

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