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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Häuschen mit Stockrosen davor und einer rotbraunen Katze, die in der Sonne döste. Mrs Mullets Gatte Alf saß im Hof auf einer Bank und schnitzte eine Weidenflöte.
    »Sieh da, sieh da!«, sagte er, als er mich am Gartentor erblickte, »welchem Umstand haben wir denn diese außerordentliche Freude zu verdanken?«
    »Guten Morgen, Mr Mullet«, erwiderte ich und verfiel mühelos in meine allerbeste überkorrekte Aussprache, »ich hoffe, es geht Ihnen gut.«
    »Nun ja … von der lästigen Verdauung mal abgesehen. Manchmal hüpft’s wie ein Känguruh, ein andermal brennt’s wie Rom.«
    »Das tut mir wirklich leid«, sagte ich und meinte es auch so. Wir de Luces waren nicht die Einzigen, die Mrs Mullets kulinarischer Erfindungsgabe ausgeliefert waren.

    »Hier.« Alf überreichte mir die Flöte. »Blas mal rein. Mal sehen, ob du einen Elf herbeirufen kannst.«
    Ich nahm das schlanke Instrument in die Hand und setzte es an die Lippen.
    »Vielleicht lieber nicht«, sagte ich dann. »Ich will Nialla nicht aufwecken.«
    »Ha! Da brauchst du keine Angst zu haben. Die ist schon in aller Herrgottsfrühe weg.«
    »Weg?«
    Das wunderte mich nun doch.
    »Wohin denn?«, fragte ich.
    »Weiß der Himmel.« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht wieder zur Culverhouse Farm … vielleicht auch nicht. Keine Ahnung. Und jetzt puste mal rein.«
    Ich gehorchte und erzeugte einen schrillen Heulton.
    »Klingt umwerfend«, sagte ich und gab Alf die Pfeife zurück.
    »Behalt sie. Ich hab sie für dich geschnitzt. Hab mir schon gedacht, dass du über kurz oder lang vorbeikommst.«
    »Toll! Vielen Dank!«, erwiderte ich, weil ich wusste, was von mir erwartet wurde.
     
    Als ich zum Mittagessen nach Buckshaw zurückging, dachte ich bei mir, wie sehr mein Leben doch jenem der emsigen Geistlichen bei Anthony Trollope glich, die ihre Tage damit zu verbringen schienen, vom Kloster zum Pfarrhaus und vom Dorf zum Bischofspalast auszuschwärmen wie schwarze Aufziehkäfer, die durch ein grünes Labyrinth krabbeln. Ich hatte während einer unserer verpflichtenden Sonntagnachmittagslesestunden in Der Vorsteher geblättert und die Lektüre ein paar Wochen darauf mit ein paar Seiten aus Die Türme von Barchester ergänzt.
    Ich gestehe, dass ich mir, da in seinen Werken keine Figur meines Alters auftaucht, nicht viel aus Trollope mache. Die meisten seiner verknöcherten Geistlichen waren offen gestanden
eher dazu angetan, dass mir das Frühstück wieder hochkam. Die Figur, mit der ich mich noch am meisten identifizieren konnte, war Mrs Proudie, die tyrannische Gattin des hasenfüßigen Bischofs, die wusste, was sie wollte und auch, jedenfalls meistens, wie sie es bekam. Hätte Trollope Mrs Proudie auch noch mit einer Vorliebe für Giftmischerei ausgestattet, hätte sie meine unangefochtene Lieblingsfigur aus der Literatur werden können.
    Auch wenn es Trollope nirgendwo eigens erwähnt, hegte ich keinen Zweifel daran, dass Mrs Proudie in einem Elternhaus großgeworden war, in dem es zwei ältere Schwestern gab, die sie wie Dreck behandelten.
    Warum verachteten mich Ophelia und Daphne derart? Lag es daran, dass Harriet mich verabscheut hatte, wie sie immer behaupteten? War Harriet auf dem Gipfel in Tibet ins Leere getreten, weil sie an einer »postpartalen Stimmungskrise« litt?
    Kurz und gut: Hatte ich meine Mutter umgebracht?
    Machte mich auch Vater für ihren Tod verantwortlich?
    Irgendwie hatte der Tag seinen Glanz verloren, als ich trübsinnig durch die schmalen Sträßchen stapfte. Sogar der Gedanke an Ruperts Ermordung und den anschließenden Aufruhr konnten mich nicht aufheitern.
    Ich blies ein paar Mal in die Weidenflöte, aber es klang wie ein Kuckucksjunges, das aus dem Nest gefallen ist und kläglich nach der Mutter ruft. Ich stopfte die Flöte ganz unten in meine Tasche und trabte weiter.
    Ich musste ein bisschen allein sein; es gab reichlich Stoff zum Nachdenken.
     
    Vom Mulford-Tor aus wirkte Buckshaw immer ein wenig traurig und verlassen, als fehlte irgendein lebenswichtiger Stoff. Aber jetzt, als ich unter den Kastanien entlangschlenderte, war irgendetwas anders. Ich sah es sofort. Mehrere Leute standen
auf der Kieseinfahrt vor dem Haus. Einer davon war Vater, und er zeigte hinauf zum Dach. Ich rannte los, flitzte wie ein Hundertmeterläufer über den Rasen, mit herausgedrückter Brust und mit Fäusten, die wie Kolben links und rechts von mir auf und nieder stießen.
    Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen. Als ich näher kam, sah ich,

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