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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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so, als läse ich die Inschrift auf einem verwitterten Grabstein, der wie ein gelber Zahn aus dem grünen Zahnfleisch ragte (Hezekiah Huff 1672-1746, Ruhet fridlich im Paradis). Ich wandte den schwatzenden Nachzüglern den Rücken zu und zog meine Beute aus dem Kleid. Wie ich mir schon gedacht hatte, war es Niallas Cloisonné-Puderdose. Die Dose schmiegte sich in meine flache Hand und schimmerte matt im Sonnenschein. Meg musste sie fallen gelassen haben, als sie auf dem Sofa des Vikars eingeschlafen war.

    Ich steckte die Dose in die Tasche und nahm mir vor, sie Nialla zurückzugeben. Nialla würde sich bestimmt freuen.
    Als ich anschließend in den Schoß meiner Familie zurückkehrte, stellte ich fest, dass Daffy vor dem Friedhof auf einem Mäuerchen hockte und die Nase in Robert Burtons Anatomie der Melancholie steckte, ihre allerneueste Entdeckung. Wie sie es geschafft hatte, einen derartigen Wälzer in die Kirche hinein-und wieder hinauszuschmuggeln, war mir unbegreiflich - bis ich nahe genug heran war, um das exakt ausgeschnittene Stanniolkreuz zu erkennen, das sie auf den schwarzen Einband geklebt hatte. Was für eine Schwindlerin! Bravo, Daff!
    Feely stand lachend unter einer Eiche und ließ sich das Haar ins Gesicht fallen, wie immer, wenn sie wie Veronica Lake aussehen wollte. Vor ihr stand ein hochgewachsener, blonder, nordischer Gott in einem Anzug aus derbem Wollstoff und sonnte sich in ihrer Aufmerksamkeit. Es dauerte einen Augenblick, dann erkannte ich Dieter Schrantz. Voller Unbehagen stellte ich fest, dass Feely ihn ganz und gar in ihren Bann geschlagen hatte. Er hing an ihren Lippen wie ein Ball an einem Gummiband, dabei nickte er wie ein geisteskranker Specht und grinste wie ein Idiot.
    Die beiden bemerkten meinen angewiderten Blick nicht einmal.
    Tante Felicity sprach mit einer älteren Dame, die ein Hörrohr hatte. Ihrer Unterhaltung nach zu schließen waren sie alte Bekannte.
    »Aber man darf keinen Buckel machen und spucken!«, verkündete die alte Dame gerade und krümmte ihre Finger mit den rot lackierten Nägeln zu einer Kralle, worüber beide unflätig kicherten.
    Dogger saß derweil geduldig auf einer Bank unter einer Eibe, hielt die Augen geschlossen, das lächelnde Gesicht der Sommersonne zugewandt und glich in jeder Hinsicht einer jener modernen Bronzeskulpturen mit dem Titel Sonntag .

    Niemand schenkte mir auch nur die mindeste Beachtung. Ich konnte tun und lassen, was ich wollte.
     
    Die Flügeltür zum Gemeindesaal war mit einem Band verziert, an dem ein Hinweis befestigt war: Polizei - Durchgang verboten.
    Kein Problem. Ich ging um das Gebäude herum und nahm einen der Seiteneingänge.
    Drinnen war es stockfinster. Gegenüber befand sich, wie ich wusste, die Tür zum Zuschauersaal. Zu meiner Rechten führten die paar Stufen hoch zur Bühne.
    Ich hörte leise Männerstimmen, aber obwohl ich mich sehr anstrengte, konnte ich nicht verstehen, was sie sagten. Wahrscheinlich schluckten die schwarzen Samtvorhänge zu beiden Seiten der Bühne ihre Worte.
    Da ich mir aus dem Gemurmel ohnehin nichts zusammenreimen konnte, ging ich kein Risiko ein, beim Lauschen ertappt zu werden, sondern trampelte die Holzstufen hoch.
    »Hallo?«, rief ich. »Möchte jemand Tee?«
    Inspektor Hewitt stand in einem Lichtkreis und sprach mit den beiden Sergeanten Woolmer und Graves. Als die drei mich erblickten, unterbrachen sie ihre Unterhaltung und kamen mit langen Schritten auf mich zu.
    »Du darfst hier gar nicht rein. Hast du das Schild nicht gesehen?«
    »Tut mir leid«, ging ich elegant über die Frage hinweg, »ich bin hintenrum gekommen.«
    »Ist hinten etwa kein Schild, Sergeant?«, wandte sich der Inspektor an Graves.
    Der Sergeant grinste dümmlich. »Entschuldigen Sie, Sir. Ich kümmere mich sofort darum.«
    »Zu spät«, erwiderte der Inspektor. »Der Schaden ist bereits angerichtet.«
    Sergeant Graves’ Grinsen erlosch, er runzelte die Stirn.

    »Tut mir leid, Sir«, sagte er. »Das war mein Fehler.«
    »Tja«, fuhr der Inspektor fort, »da wir hier ohnehin fast fertig sind, ist es nicht die allergrößte Katastrophe. Aber denken Sie nächstes Mal dran.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Nun denn«, wandte sich der Inspektor dann mir zu, »was machst du hier überhaupt? Und erzähl mir jetzt keinen Mumpitz von wegen Tee und so.«
    Ich hatte bei unserem letzten Abenteuer festgestellt, dass ich am besten fuhr, wenn ich dem Inspektor nichts vormachte - zumindest war es ratsam, direkte Fragen zu beantworten.

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