Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
Vom Netzwerk:
Moos war ich bis zu den Knien pitschnass.
    Im Unterholz knackte es. Ich blieb erschrocken stehen. Ein dunkler Umriss flog in niedriger Höhe vorüber, eine Eule vielleicht, die den dichten Morgennebel mit ihrer üblichen Jagdzeit in der Abenddämmerung verwechselte. Als ich mich von meinem Schreck erholt hatte, fand ich ihr Auftauchen eigentlich
ganz beruhigend, denn das bedeutete, dass sich außer mir niemand im Wald aufhielt.
    Ich ging weiter, versuchte, mich an die schwer zu erkennenden Pfade zu halten, die alle, das wusste ich, zu der Lichtung mitten im Wald führten.
    Zwischen zwei uralten knorrigen Bäumen blockierte etwas den Weg, das wie ein moosbewachsenes Tor aussah. Ich war schon halb hinübergeklettert, als mir klar wurde, dass ich mich schon wieder auf den Stufen des alten Galgengerüstes befand. Wie viele arme Sünder waren wohl diese Stufen hochgestiegen, ehe sie von der Plattform gestoßen wurden? Ich schluckte und schaute zu den Überresten der Konstruktion hinauf, die nun zum Himmel hin offen war.
    Eine ledrige Hand umschloss mein Handgelenk wie eine glühende Eisenfessel.
    »Was suchste hier, hä? Was gibt’s zu schnüffeln?«
    Es war die verrückte Meg.
    Sie schob ihr schmutziges Gesicht so dicht vor meines, dass ich die rotblonden Stoppeln auf ihrem Kinn sah. Die böse Hexe aus dem Wald, dachte ich einen Moment erschrocken, kam dann aber wieder zu Sinnen.
    »Tag, Meg«, sagte ich scheinbar gelassen, obwohl ich rasendes Herzklopfen hatte. »Da bin ich aber froh, dass ich dich gefunden habe. Du hast mir einen ganz schönen Schreck eingejagt.«
    Leider war meine Stimme doch ziemlich zittrig.
    »Der Gibbet Wood ist voller Angst und Schrecken«, verkündete Meg düster. »Schrecken, die’s nur hier gibt und sonst nirgendwo.«
    »Da hast du recht«, pflichtete ich ihr bei, obwohl ich kein Wort verstand. »Ich bin froh, dass du bei mir bist. Dann brauche ich mich nicht zu fürchten.«
    »Kein Teufel mehr.« Meg rieb sich die Hände. »Der Teufel ist tot, und das ist gut so!«

    Mir fiel wieder ein, wie ängstlich sie bei Ruperts Aufführung von Jack und die Bohnenranke gewesen war. Für Meg verkörperte Rupert den Teufel, der Robin Ingleby umgebracht, in eine Holzpuppe verwandelt und auf die Bühne gestellt hatte. Hier war Taktgefühl gefragt.
    »Konntest du dich denn im Pfarrhaus ein bisschen ausruhen, Meg?«
    Sie spuckte auf einen Eichenstumpf, als spuckte sie einem Widersacher ins Auge.
    »Die hat mich rausgeschmissen«, sagte sie. »Hat der armen alten Meg ihr Armband weggenommen und sie rausgeschmissen, so war das! ›Schmutzig, schmutzig‹.«
    »Meinst du Mrs Richardson? Die Pfarrersfrau hat dich rausgeworfen?«
    Meg schenkte mir ihr schauriges Grinsen und rannte plötzlich in einer Art Galopp zwischen den Bäumen davon. Ich blieb ihr dicht auf den Fersen, preschte durch Unterholz und Farn, zwischen Fallen und tückischen Ranken hindurch. Nach fünf Minuten standen wir keuchend wieder am Fuß des morschen Galgens.
    »Da!« Sie zeigte mit dem Finger irgendwohin. »Da hat er ihn hingebracht.«
    »Wen, Meg?«
    Sie meinte natürlich Robin Ingleby.
    »Der Teufel hat Robin dort hingebracht?«, vergewisserte ich mich.
    »Hat ihn in Holz verwandelt, jawoll!« Sie nickte bestätigend und warf einen Blick über die Schulter. »Holz zu Holz.«
    »Hast du ihn tatsächlich gesehen? Den Teufel, meine ich.« An diese Möglichkeit hatte ich noch gar nicht gedacht. Konnte es wirklich sein, dass Meg jemanden zusammen mit Robin gesehen hatte? Schließlich hauste sie hier im Wald in einer Hütte, und es kam mir unwahrscheinlich vor, dass ihr irgendetwas entging, was sich im Gibbet Wood tat.

    »Meg hat’s gesehen«, verkündete sie vielsagend.
    »Wie sah er denn aus?«
    »Meg hat’s gesehen. Die alte Meg sieht so manches.«
    »Kannst du zeichnen?«, fragte ich, einer Eingebung folgend. Ich holte ein Notizbuch aus der Tasche und gab Meg einen Bleistiftstummel.
    »Hier, nimm.« Ich schlug ein leeres Blatt auf. »Mal mir den Teufel auf. Mal den Teufel, wie er sich Robin geholt hat.«
    Meg stieß etwas aus, das ich nur als verschleimtes Kichern bezeichnen kann, hockte sich hin, legte das Buch auf die Knie, strich die Seiten glatt und zeichnete drauflos.
    Ich glaube, ich hatte eine Kinderzeichnung erwartet, irgendwelche gekritzelten Strichmännchen, aber der Bleistift erwachte in Megs verdreckten Fingern zum Leben. Nach und nach entstand auf dem Blatt die Lichtung im Gibbet Wood: ein Baum hier, ein Baum dort, der

Weitere Kostenlose Bücher