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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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über der Tür mein Eintreten kundtat, blickte Miss Cool hinter ihrem Postschalter auf.
    »Flavia, meine Liebe!«, sagte sie. »Das ist ja nett! Aber du bist ja klitschnass! Vor zehn Minuten habe ich an dich gedacht, und schon stehst du in der Tür. Eigentlich dachte ich zwar an deinen Vater, aber das ist ja fast dasselbe, oder? Ich habe hier einen Satz Briefmarken, der ihn interessieren könnte: viermal
George mit ungewöhnlicher Perforation, mitten durchs Gesicht. Das ist doch bestimmt ein Fehldruck, oder was meinst du? Ansonsten wäre es ja auch zu despektierlich! Miss Reynolds drüben im Glebe House hat sie letzten Freitag gekauft und am Samstag gleich wieder zurückgegeben.
    ›Da sind mir zu viele Löcher drin!‹, hat sie gemeint. ›Ich will schließlich nicht, dass meine Briefe an Hannah‹ - das ist ihre Nichte drüben in Shropshire - ›beschlagnahmt werden, weil sie gegen die Postvorschriften verstoßen‹.«
    Sie reichte mir einen durchsichtigen Umschlag.
    »Vielen Dank, Miss Cool. Vater freut sich bestimmt sehr, wenn er die in seiner Sammlung hat, und er würde bestimmt wollen, dass ich mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit bedanke.«
    »Du bist wirklich ein liebes Mädchen, Flavia«, sagte Miss Cool und wurde ein bisschen rot. »Dein Vater ist bestimmt sehr stolz auf dich.«
    »Allerdings«, bestätigte ich. »Sehr stolz.«
    Dabei war mir dieser Gedanke bis jetzt noch nie in den Sinn gekommen.
    »Aber du solltest hier nicht in deinen nassen Kleidern herumstehen, meine Liebe. Geh ins Hinterzimmer und zieh die Sachen aus. Ich hänge sie zum Trocknen in die Küche. Am Fußende von meinem Bett findest du eine Steppdecke. Die kannst du dir umlegen, und dann können wir beide gemütlich schwatzen.«
    Fünf Minuten später waren wir wieder im Laden, ich wie ein in seine Decke gehüllter Schwarzfuß-Indianer und Miss Cool mit ihrer winzigen Brille, mit der sie tatsächlich wie die Krämer in den Handelsstationen der Hudson Bay Company aussah.
    Schon ging sie quer durch den Laden auf das große Glas mit den Kräuterstangen zu.
    »Wie viele möchtest du denn heute, meine Liebe?«

    »Vielen Dank, Miss Cool, aber ich möchte gar keine. Ich bin heute früh in aller Eile losgegangen und habe mein Portemonnaie vergessen.«
    »Greif trotzdem rein.« Sie hielt mir das Glas hin. »Ich glaube, ich gönne mir auch eine. Kräuterstangen lutscht man am besten in Gesellschaft, nicht wahr?«
    Was das anging, befand sie sich gewaltig auf dem Holzweg: Kräuterstangen waren dafür da, dass man sie allein und in absoluter Maßlosigkeit in sich hineinmampfte, vorzugsweise in einem abgeschlossenen Zimmer, aber das traute ich mich nicht zu sagen. Ich war zu sehr damit beschäftigt, meinen Köder auszulegen.
    Wir saßen eine ganze Weile in geselligem Schweigen und lutschten an unseren Süßigkeiten. Graues wässeriges Licht sickerte vom Fenster in den Laden, ließ die Reihen mit den Bonbongläsern von innen leuchten und verlieh ihnen dadurch einen fahlen, ungesunden Glanz. Wahrscheinlich sehen wir beide wie zwei Alchemisten aus, dachte ich, die gerade ihren nächsten Anschlag auf die Elemente aushecken.
    »Mochte Robin Ingleby auch gern Lakritzstangen, Miss Cool?«
    »Du stellst Fragen! Wie kommst du denn darauf?«
    »Ach, keine Ahnung«, erwiderte ich unbekümmert und fuhr mit dem Finger über den Rand einer Vitrine. »Wahrscheinlich deshalb, weil die eine Marionette bei der Vorstellung Robins Gesicht hatte. Das fand ich unheimlich. Seither muss ich immer an ihn denken.«
    Was ja auch der Wahrheit entsprach.
    »Ach, du armes Ding!«, sagte Miss Cool mitleidig. »Das geht uns wohl allen so, auch wenn keiner darüber spricht. Es war geradezu … wie heißt das noch gleich? Obszön. Und dieser arme Mann! Was für eine Tragödie. Ich habe hinterher kein Auge zugetan. Ich glaube, das hat uns allen einen ziemlichen Schreck eingejagt.«

    »Waren Sie nicht damals eine der Geschworenen bei der gerichtlichen Anhörung?«
    Inzwischen beherrschte ich den Überrumpelungseffekt schon richtig gut. Im Nu verlor sie sämtlichen Wind aus den Segeln.
    »Ja, schon … ja, das stimmt. Aber woher weißt du das?«
    »Ach, ich glaube, Vater hat es mal irgendwann erwähnt. Er hält große Stücke auf Sie, Miss Cool. Aber das wissen Sie sicherlich.«
    »Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit, wie ich dir versichern kann«, erwiderte sie. »Ja, ich war damals eine der Geschworenen. Warum willst du das wissen?«
    »Um ehrlich zu sein - meine Schwester

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