Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
von der Burg verschwinden kann, ja?“
Eine Pause entstand, und Mila stellte sich vor, wie er wiederum versuchte, Helene an sich zu ziehen – die sich ihm wiederum entwand, entrüstet nach ihm schlug, um nicht sündig zu werden.
„Geht es um Senta? Heinrich, wie soll ich sie denn vor Meinhard in Schutz nehmen, wenn er davon überzeugt ist, dass sie seine Senta umgebracht hat?“
„Meinhard weiß noch gar nichts davon, dass sie hier ist. Alles, worum ich dich bitte, ist, dass du ihr die Flucht ermöglichst. Ich weiß um dein großes Herz, Liebste, du würdest doch niemals zulassen, dass sie unschuldig hingerichtet wird.“
Mila versuchte, den Kloß, der aus ihrer Brust nach oben drängte, unten zu halten.
„Heinrich, ich ...“
„Ich habe es ihr versprochen.“
„Aber warum willst du sie ...?“
„Ich bitte dich, Helene. Tu es einfach. Tu es für mich!“
„Heinrich ...“ Sie verstummte abrupt.
Blieb stumm. Ja. Offenbar hatte er sie endlich in seine Arme bekommen.
Obwohl sie ja leider nicht den Eindruck erweckte, als ob sie bereit wäre, Heinrichs Bitte nachzukommen.
Angespannt wartete Mila – einen, zwei, viele Augenblicke lang. Grinste unwillkürlich. War die Helene augenscheinlich doch weniger fromm, als sie befürchtet hatte. Vielleicht ...
„Unten herrscht große Aufregung“, erklang dann ihre atemlose Stimme. „Meinhard war außer sich, als er die Nachricht vorhin bekam. Ich habe Angst, dass er nach mir schicken lässt und man uns beide dann hier ...“
Eine weitere Pause. Heinrich hatte sie, wie es schien, trotzdem erneut gewonnen.
Im folgenden Moment jedoch hörte Mila die beiden regelrecht auseinanderstieben.
Eine der Nebentüren wurde aufgerissen und wieder geschlossen, polternde Schritte entfernten sich – und im selben Moment stand Helene – allein – in Milas Zimmer.
Während hinter ihr die Tür zum Treppenhaus aufflog. „Herrin? Herrin, es fragt jemand nach Knappe Heinrich, ich dachte, er wäre vielleicht ...“
Anna. Die aufdringlich durch den Türrahmen lugte.
Helene wirbelte herum – und fauchte ihre Dienerin an: „Dich hat niemand nach einem Knappen zu fragen. Und wenn, dann hast du zweifellos anderes zu tun, als daraufhin nach ihm zu suchen.“
Anna blickte zuerst noch einmal nach allen Seiten, warf der Tür, durch die Heinrich soeben geflüchtet sein musste, einen wehmütigen Blick zu, ehe sie – nicht sehr überzeugend demütig – in einen Knicks sank und zurückwich. „Verzeihung, ich wollte nur ...“ Ihre Enttäuschung über Heinrichs Abwesenheit war eindeutig größer als die Schmach der Zurechtweisung durch ihre Herrin.
„Geh zurück an die Arbeit, und zwar unverzüglich“, befahl die streng. Vermutlich war ihr ebenso wenig entgangen wie Mila, was ihre Dienerin eigentlich vorgehabt hatte. „Solltest du unten nicht fertig sein, wenn ich gleich hinunterkomme, wird das ein Nachspiel haben, ist das klar?
„Jawohl, Herrin, ich erledige alles sofort, Herrin.“
Die versperrte die Tür hinter der nun regelrecht davonstürzenden Anna. Ob sie die Suche nach ihrem Schwarm unten fortsetzen würde?
Mila zuckte zusammen, als Helene plötzlich vor ihr stand – und sie aus zwei Schritt Abstand mit skeptisch forschenden Blicken maß.
Erst jetzt kam sie dazu, sich die Frau bewusst anzuschauen, die für sie immer nur 'Johanns Ehefrau' gewesen war. Still, blass, fromm. Vollkommen uninteressant für Johann – und damit auch für Mila ohne Bedeutung.
Diese Frau, der sie hier und jetzt gegenüberstand, wirkte eindeutig weder blass noch unscheinbar. Klein und schmal, das schon, mit heller Haut und hellblondem, streng nach hinten gebundenem Haar. Ihre blauen Augen jedoch waren mit einem Hauch Kohle umrahmt und leuchteten, die Wangen rosig, ihre Lippen leicht geöffnet und rot glänzend – ihr Kuss vorhin lag noch darauf, unübersehbar.
Sie ist aufgeblüht, dachte Mila beeindruckt. Ob Johann so blind war, dass ihm ihr Zustand entgangen war? Oder war sie vorsichtiger, wenn ihr Ehemann in der Nähe war? Aber dass sie sich so sehr verstellen konnte?
„Weißt du, was es mit diesem Zimmer auf sich hat?“
Verblüfft über diese völlig unerwartete Eröffnung schnellten Milas Augen in ihre.
„Äh, ja ... ich ... schon.“ Sie verstummte vorerst. War es ein Fehler gewesen, das zuzugeben? Warum fragte Helene das überhaupt?
Erst jetzt wurde Mila klar, dass sie sich bisher keine Gedanken darüber gemacht hatte, wie die Junkersfrau zu ihr stand. Sie musste die
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