Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
sehen konnte, war ihr sonnenklar: Brigittes Blick hatte dafür gesorgt, dass ihm sämtliche Fragen auf der Stelle wieder zwischen seine Beine gesackt waren.
„Mein Name ist Brigitte Barduhn, ich lebe eigentlich im Jahre 1970 und in München, Munichen sagt ihr. Ich war mit ein paar Freunden hier auf Urlaub, und wir haben die Höhlen erforscht. Wir waren ganz schön high dabei, kann man sagen. Also, ich bin alleine in eine der Höhlen rein und auf einmal waren da Unmengen Fledermäuse, sind um mich rumgeflattert und haben mich auch gebissen. Das war vielleicht toff, aber echt. Und, naja, als die weg waren, war mein Freund ebenfalls weg, niemand mehr da, so sehr ich auch gesucht habe. Schließlich dachte ich, geh ich halt alleine zurück. Ich bin also rausgelaufen aus der Höhle und schnurstracks zu der Hütte, in der wir gewohnt haben.“ Brigitte strich sich über ihr mühsam mit den Fingern aufgebauschtes und nun fast filzartiges Blondhaar. „Du wirst es schon ahnen, aber für mich war es ein Riesenschreck, als ich die nicht mehr gefunden habe. Irgendwie war alles auf einmal weg. Zuerst hab ich gedacht, ich wär verrückt geworden. Hab gedacht, das Zeug, das wir geraucht hatten, war vielleicht nicht in Ordnung gewesen. Also hab ich mich da irgendwo hingelegt und bin eingeschlafen. Aber als ich wieder aufgewacht bin, war die Hütte noch immer nicht wieder aufgetaucht, auch meine Freunde nicht. Dafür stand Mila neben mir.“ Brigitte stand auf, strich ihren 'Rock' glatt. Johanns Augen klebten an ihren Händen.
Erst als Brigitte sich wieder setzte, wanderten sie gezwungenermaßen wieder zurück in ihr Gesicht, hefteten sich dort wieder fest, wie um ihr jedes Wort förmlich aus dem Mund zu saugen.
Mila, die ja schon so einige Zeitsprunggeschichten zu hören bekommen hatte, konnte nur müde den Kopf schütteln. Da hätte sie doch bei Weitem interessantere zu berichten gewusst.
„Mensch Johann“, fuhr Brigitte theatralisch fort, als wäre sie die erste und einzige ihrer Art, „kannst du dir vorstellen, wie das war, als Mila mir erklärt hat, was geschehen war? Bis heute hab ich das Gefühl, dass ich noch immer irgendwie – naja, zumindest einen Rausch habe.“ Brigitte fasste an ihren Kopf, ließ ihre Hand vor der Stirn kreisen, sah Johann dabei tief in die Augen. „Du weißt sicher, was ich meine.“
Was den dazu brachte, augenblicklich und voller Eifer zu nicken. „Ich weiß, ich weiß“, raunte er in innigem Einverständnis.
„Seit vorgestern geht das schon so.“ Brigitte kam nicht weiter, denn in Johann kam Bewegung.
„Wie? Vorgestern?“
Von einem Wimpernschlag zum nächsten war er aus besagtem Rausch wieder zu sich gekommen und – ganz herrischer Junker – vorwurfsvoll zu Mila herumgeschnalzt. „Warum hast du mich nicht sofort gerufen? Ich will von Anfang an dabei sein, das habe ich dir doch ganz klar gesagt.“
Sie benötigte einen Moment, um dieses jähen Wechsels zwischen Johanns unterschiedlichen Persönlichkeiten Herr zu werden. Dann hatte sie sich so weit geordnet, dass sie Worte für ihre Empörung fand. „Ihr könnt Euch wahrscheinlich nicht vorstellen, wie sehr ein Fall durch die Zeit einen Menschen verunsichert.“ Sehr von oben heran klang sie. Doch war nicht auch sie diejenige, die sich auskannte? Von der er so manches lernen konnte? „Brigitte brauchte eine Weile, um den Schock zu verwinden, sich wieder zu fangen und ...“
„Oh, natürlich, bitte verzeiht mir.“
Wie? Mila blinzelte, nun vollkommen aus dem Tritt. Das durfte einfach nicht wahr sein!
Noch während sie zu Johann gesprochen hatte, hatte der sich von ihr ab- und zu Brigitte gewandt, seine Hand schützend auf ihren Arm schiebend. Er war so plump, so durchschaubar!
Brigitte allerdings nicht minder. Sie strahlte ihn an, lachte hell auf, wenn er etwas von sich gab, legte immer wieder kokett den Kopf schief, um ihn bewundernd von unten anzubeten.
Das Erstaunliche für Mila war jedoch nicht das Ritual, das die beiden da miteinander vollführten, das hatte sie in ihrem Leben mehr als einmal beobachten können. Was sie erstaunte, war vielmehr die Tatsache, dass es hierbei offensichtlich überhaupt keine Rolle spielte, dass Mann und Frau aus vollkommen unterschiedlichen Zeiten kamen. Während ein solcher Paarungstanz zwischen einem Mann aus Johanns Stand und einer Magd wie ihr unmöglich wäre. Wie konnte das sein? Dass die Kluft zwischen Arm und Reich gravierender war als tausend Jahre?
„Und du bist wirklich ein
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