Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
schob. „Es muss E-Lek-Tizität geben. Das ist das, was Lampen ohne Öl und Flamme zum Leuchten bringt. Und Fer-briken, in denen riesige Mengen aller möglichen Waren gemacht werden. Und Komp-juter, Maschinen, die sich so verhalten, als wären sie lebendig. Und neuartige bunte Kunst-Stoffe und Metalle. Und ...“ ... Menschen, die offen für all das sind, ohne es als Teufelswerk zu verdammen. Aber das würde er nicht gelten lassen, natürlich nicht.
„Wenn ich all das doch nur erleben könnte!“ Sein Blick ging ins Leere, war auf innere Bilder gerichtet, die er voller sehnsüchtiger Verzückung in sich aufzusaugen schien. „All das klingt wahrhaftig nach einer Wunderwelt, nach herrlicher Zauberei. Aber es ist die Wirklichkeit, nicht wahr? Und wenn es wirklich ist, dann müsste es doch irgendeinen Weg geben, das auch zu erleben. Auch für uns ...“
Seine Worte versiegten, Mila konnte regelrecht sehen, wie sie sich hinter seiner Stirn auflösten in der Fülle durcheinanderwirbelnder Gedanken.
Und zuckte zusammen, als ihre Hand im nächsten Moment gepackt wurde, eifrig geschüttelt von Johann. „Beim nächsten Zeitreisenden werde ich besser achtgeben, dass ich alles erfahre, was er weiß. Ich werde sammeln, Pläne entwerfen, bis ich in der Lage bin, all die Wunderdinge zu erschaffen. Eines Tages werde ich so weit sein, und dann ...“ Diesmal stoppte er abrupt, seine schon wieder abgeschweiften Augen in Milas zurückholend. „Wie geht es eigentlich mit Tyrol weiter?“
Äh – verwirrt holte Mila erst einmal Luft. „Nun ja.“ Sie atmete erneut ein, um Zeit zu gewinnen. Was wusste sie darüber, wie es zukünftig um ihre Heimat bestellt sein würde? Nichts, was ihm sonderlich gefallen würde. „Tyrol wird in der Zukunft kein eigenmächtiges Land sein“, antwortete sie zögernd.
„Wie ...?“ Johann traute seinen Ohren nicht.
Aber es half ja nichts. „Es wird abwechselnd zu Beiara oder einem neuen Land mit dem Namen Öster-reich gehören, die immer wieder darum kämpfen werden ...“
„Was? Spielball irgendwelcher fremden Länder? Das kann nicht sein.“ Richtig fassungslos war der Junker in sich versunken.
Ehe er Mila wiederum zusammenzucken ließ, indem er sich im nächsten Moment straff aufrichtete, beide Hände nach ihr ausstreckend, um sich beinahe angstvoll an ihr festzuklammern. „Was wird aus meiner Burg?“
'Seine Burg', natürlich. Mila musste grinsen. Da konnte er noch so entmutigt sein von den trüben Aussichten, mit denen sie bereits aufgewartet hatte – an seinem eigenen Wert zu zweifeln, lag außerhalb seines Denkvermögens.
Nun ja, leider konnte sie ihm in dieser Hinsicht noch weniger ruhmreiche Aussichten bieten. „Burgen werden später an Bedeutung verlieren“, beschloss sie allgemein zu bleiben. „Das Leben wird sich in den Städten abspielen. Die unendlich viel größer sein werden als heutzutage.“
„Wird Ernberg ... fallen?“ Nur ein verzweifelter Hauch, so groß war seine Angst vor ihrer Antwort.
Auch wenn sie ihn in seiner Gier nach Ruhm ziemlich bedauernswert fand – sie brachte es nicht übers Herz, ihn nicht wenigstens ein kleines bisschen zu trösten. „Burg Ernberg wird mindestens bis zum Jahre 2015, zu Steffens Zeit, noch unversehrt stehen. Sie wird berühmt sein, als symbolisches Zentrum von Tyrol gelten. Die Leute werden von weither kommen, um sie anzuschauen. Sie wird auch nicht allein sein. Überall in der Umgebung werden weitere Burgen und Klausen errichtet werden. Wo man auch hinblickt ...“
„Das Zentrum von Tyrol, immerhin.“ Er nickte. Jetzt grimmig. Sein Kampfgeist regte sich. Nun würde er nicht eher ruhen, als er sich alles so hingezerrt hatte, wie es ihm gefiel.
Gespannt sah Mila ihm dabei zu.
„Das zeugt davon, dass das Adelsgeschlecht, dem ich angehöre, seine Bedeutung behält.“
Da war er zurück an der Oberfläche, der selbstbewusste Junker Johann. Der sich nicht einmal von seiner niederen Geburt davon abhalten ließ, adelig zu sein.
„Nein.“ Diese Knappheit war gemein, doch Mila konnte einfach nicht anders.
Seine Augen waren verblüfft in ihre geschnellt. „Wie? Wieso?“
„Weil Adelsgeschlechter im zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert keine Rolle mehr spielen werden“, gab Mila das weiter, was Steffen ihr einst erzählt hatte, um sie in ihrer gemeinsamen Ohnmacht gegenüber Meinhard zu trösten. Dass sie heute tatsächlich erleben durfte, das in Gegenwart seines Sohnes auszusprechen!
„Wie kann das sein?“
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