Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
Pure Verständnislosigkeit – ein Zustand, der eben diesem Junker zu fremd war, als dass er sich nicht sofort daraus befreit hätte. „Das alles kann nicht sein“, entschied er nur eine einzige Sekunde später kurzerhand. Seine Zähne knirschten aufeinander, er starrte mit verengten Augen auf die Tischplatte.
Um dann jedoch mit triumphierend sich aufhellender Miene herauszuplatzen: „Aber natürlich! Das wird sich ja ändern. Ich werde das ändern. Deswegen sitze ich ja hier, bei dir. Weil genau das meine Bestimmung ist. So einfach ist das.“
So einfach. Für ihn offensichtlich schon. Mila betrachtete ihn kopfschüttelnd. Hatte aber keine Lust mehr, sich wieder in seine Träumereien hineinziehen zu lassen, sie wollte aufstehen, an ihre Küchenarbeit zurück – als er sie am Arm festhielt.
„Eine schlechte Zukunft werden wir nicht zulassen, nicht wahr?“ Von einem Augenblick auf den anderen klang er wieder wie ein Kind, verzweifelt und trotzig.
Und tat so, als ob sie, Mila, die Macht hätte, etwas dagegen zu tun. In ungläubiger Belustigung schüttelte sie den Kopf. Wenn er so unverstellt und frei heraus war, fiel es ihr irgendwie schwer, ihn nicht zu mögen. „Wie stellt Ihr Euch das denn vor? Die Zukunft zu beeinflussen?“, fragte sie ihn freundlich.
„Indem ich ...“, hier benötigte er sogar einen Moment zum Nachdenken, „indem ich dafür sorge, dass mein Vater mich endlich als seinen legitimen Erben für Ernberg anerkennt. Indem ich mich bei ihm unentbehrlich mache. Indem ich ...“, sein Blick traf Mila, „indem du mir weiterhin deine Zeitreisenden zugänglich machst – und ich aufgrund dieses Wissens meine Position hier festige.“ Nun sprudelten die Ideen nur so aus ihm hervor. Und auch das war rührend anzuschauen. Doch, in manchen Augenblicken konnte sie Brigitte ein bisschen verstehen, was sie an ihm gefunden hatte.
„Vor allen Dingen muss ich Reichtum anhäufen, das ist das Wichtigste. Und zugleich das Einfachste – wenn ich die Zukunft kenne!“
„Aber wir erfahren doch immer nur kleine Ausschnitte der Zukunft“, wollte Mila einwenden.
Doch er stoppte sie mit großspuriger Geste. Johann, der Junker, war zurück. Ganz Siegesgewissheit und Größenwahn. „Ich werde schon die richtigen Fragen stellen, um zu erfahren, was ich wissen muss. Und wo ein Zeitreisender nicht weiter weißt, werden wir eben auf den nächsten warten. Mit jedem, der kommt, werde ich mehr Informationen sammeln und schließlich ...“
Mila entzog ihm ihren Arm. „Mit Brigitte scheint Ihr allerdings nicht viel geredet zu haben“, hatte sie sich plötzlich nicht länger verbeißen können.
Dass Johann tatsächlich eine Idee röter wurde, gönnte sie ihm von Herzen. „Wir ... mit ihr habe ich auch Wissen erworben, Wissen“, er hielt inne, seine Augen schnellten ganz kurz zu Mila – und nun war die es, die errötete, „anderer Art. Privater.“
„Was Euch Euren Zielen aber nicht näher bringt“, versuchte sie, noch rechtzeitig aufzuspringen und sich dem ungefährlicheren Haushalt zuzuwenden ...
... als Johanns Hand ihr nachkam, so abrupt, dass Mila das Gleichgewicht verlor, um sich selbst kreiselte und direkt auf seinen Schoß taumelte.
„Hey, lasst mich los“, wollte sie sich entwinden, doch er hielt sie fest.
„Diese privaten Inhalte könnten auch du und ich teilen“, wisperte er ihr zu.
Sein Atem viel zu nah. Mila ruckte mit dem Kopf, um ihm den ans Kinn zu rammen, doch er schaffte es, seine Wange an ihre zu pressen, während seine Arme sich nur noch enger um sie schlossen. Zu nah! Doch je mehr sie zappelte, desto fester hielt er sie.
„Glaub mir, wenn du wüsstest, wovon ich spreche, würdest du nicht zögern.“
Da war er wieder, dieser Schauer der Neugierde in ihrem Bauch. „Ihr sollt mich loslassen, sonst ...“ Sie keuchte vor Anstrengung. Nicht nur vor Anstrengung. Sondern auch ... vor Befremdung. Weil er sich keineswegs nur abstoßend anfühlte.
Er lachte, ganz dicht neben ihrem Ohr. Als er dann auch noch mit tief vibrierender Stimme zu raunen begann, kribbelte es Mila endgültig überall.
„Wenn du mich es dir zeigen lässt, wirst du nicht genug von mir bekommen können.“
Doch das würde sie ja wohl nicht zulassen! „Ihr seid ein erbärmlicher Schuft“, schrie sie, und das war das Einzige, was sie tun konnte: Schreien, aus Leibeskräften. „Ihr seid ein Schuft, Schuft, Schuft, Schuft!“
Von einer Sekunde auf die andere fiel sie. Weil er aufstand, so unvermittelt,
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