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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ruland
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hier ist... „
    Nanu, was macht denn der Herr Doktor für ein Gesicht? Was ist denn, Balduin?
    „...mein Mann!“
    Klothilde lächelt. Emma macht eine winzig kleine, eine ganz höfliche Verbeugung.
    Der nicht mehr junge Mann nickt mit dem Kopf. Sieht streng und reicht lässig die Hand.
    Balduins Härchen möchten am liebsten davonfliegen. Und er mit ihnen. Doch seine Haltung ist nicht erschüttert. Seine Hand pendelt, wie von selbst, zu der des nicht mehr jungen Mannes.
    „Öhö…“
    Wollte Balduin etwas sagen?
    Emma springt für ihn ein:
    „Ein wunderschöner Tag heute, nicht wahr, Herr Doktor?“
    Der Herr Doktor nickt und schweigt und versteht nicht.
    „Mein Mann glaubte zwar, es könnte wohl regnen heute abend, nicht wahr, Balduin?“
    Balduin nickt und schweigt und versteht nicht.
    „Ich habe gestern ein wunderschönes Gedicht über einen Frühsommertag gelesen. Ich glaube...“ Das Kind soll jetzt nichts glauben.
    „Kommen Sie, Herr Doktor, bitte sehr, das ist Ihr Platz! Und hier...“
    Der Herr Doktor nickt wieder, schweigt weiter und setzt sich.
    „Bitte, mein Gatte, das ist dein Platz...“
    Der Gatte nickt ebenfalls, schweigt betreten und setzt sich.
    Christinchen bringt die Blumen.
    „Wundervoll, Herr Doktor, wundervoll! Was für ein prachtvoller Strauß! Aber, Herr Doktor, Sie sollten doch nicht...“
    Der Herr Doktor lächelt. Emma nimmt die Vase mit den Astern vom Tisch. Stellt die Vase mit den Blumen vom Herrn Doktor an ihre Stelle. Rosen, lauter rote, duftende Rosen. Vergeblich hat Emma die Astern gekauft, vergeblich hat sie sich all die Mühe mit dem Strauß gegeben.
    Rosen...
    Klothilde blickt selig ins Leben.
    „Mein Kind, setze dich — dorthin neben den Herrn Doktor. So, und nun... der Kaffee wird gleich kommen.“
    Dem nicht mehr jungen Mann ist gar nicht nach Rosen zumute. Sein Blick ist fest. Sein Gesicht ist beleidigt. Aber Emma sieht es nicht. Klothilde erkennt es auch nicht. Aber Balduin ahnt es. „Gnädige Frau, es ist mir sehr peinlich...“ Kleine Pause. „Ich bedauere es sehr, daß Sie sich die große Mühe gemacht haben. Es war wirklich nicht nötig. Ich bedauere es sehr...“
    „Aber ich bitte Sie, Herr Doktor! Umstände gemacht? Ganz im Gegenteil!“
    Emma sprudelt wie ein Wasserfall. Es wird dem Herrn Doktor schwerfallen, zu Worte zu kommen: „Was soll das schon, die paar Teilchen! — Da ist
    ja schon der Kaffee. Kommen Sie, Christinchen... So, danke! Sie können gehen. Kind, reiche mir einmal die Tasse von Herrn Doktor! Danke... So, die wird schmecken! Wir trinken alle so gerne Kaffee! Hag natürlich, nur koffeinfreien... So, Balduin, deine Tasse. Wissen Sie... So, bitte, hier ist Zucker, dort ist Milch. Nein, nehmen Sie Sahne, Herr Doktor!...“
    Der Herr Doktor sagt „Danke!“. Der Herr Doktor sagt „Bitte!“. Balduin rührt in seinem Kaffee. Will keinen Zucker. Will keine Milch. Nur rühren will er, rühren, rühren. Klothilde nimmt das kleine Messer, nimmt die kleine Gabel, spreizt den rechten kleinen Finger, wagt ein Wort: „Guten Appetit!“
    Stille.
    Nur Balduins Rühren.
    Ein Ticken, feines Knirschen von Messerchen und Gäbelchen.
    Stille.
    Emma setzt ihre Tasse auf. Ting!
    Stille.
    Balduin nimmt sich auch ein Teilchen. Läßt es fast auf die Tischdecke fallen. Landet es trotzdem noch auf seinem Teller.
    Stille.
    Ein Glucksen. Klothilde hat sich verschluckt. Stille.
    Der nicht mehr junge Mann sitzt kerzengerade.
    So stramm wie sein hoher Stehkragen.
    Der junge Mann hüstelt.
    Balduin hustet.
    Stille.
    Draußen hupt ein Auto.
    Tïng, eine Tasse.
    „Eine wunderbare Stadt, dieses Rheinstadt, nicht wahr, Herr Doktor? Die alten Häuser, die lustigen Menschen!“
    „Zuweilen sind sie mir etwas aufdringlich .. Balduin rührt wieder. Heftiger als vorher. „Aufdringlich, sagen Sie? Ach Gott, ich glaube, da sind Sie doch etwas streng in Ihrem Urteil, Herr Doktor! Nun ja, wie man es nimmt... Sie mögen doch recht haben!“
    „Ganz bestimmt, Mama!“
    Stille.
    Balduin hat sich an sein Teilchen gemacht.
    „Noch etwas Kaffee, Herr Doktor? Ach, Verzeihung, Sie haben noch. Balduin, aber dir darf ich noch etwas geben... Wissen Sie, Herr Doktor, wenn man so gar keinen Alkohol zu sich nimmt, wie mein Mann, dann ist es ja zu verstehen, daß er besonders gern Kaffee trinkt. Alkohol gibt es in unserem Hause gar keinen...“
    Nun hat sie zu früh vom Alkohol begonnen.
    „Hatten gnädige Frau von Alkohol gesprochen?“ Balduin rührt wieder und hustet.
    „Aber, Emma,

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