Flehende Leidenschaft
verdammter Krieg hat den Preis für meinen Cognac hochgetrieben«, schimpfte Ayton. »Und ich bekomme nirgends ordentliche Reithandschuhe. Sehr unangenehm!«
»Jetzt ist Marlborough in Österreich«, warf Johnnie beiläufig ein. Dank seiner schnellen Schiffe erfuhr er die neuesten Nachrichten vom Kontinent oft schneller als die englische Regierung, nicht zuletzt, weil er in mehreren europäischen Städten Handelsniederlassungen unterhielt.
»Übrigens, man munkelt von einer baldigen Entscheidungsschlacht«, bemerkte Baldwin. »Haben Sie was davon gehört?« Er bezog seine Informationen von einem Vetter in Whitehall, einem Untersekretär in der Schatzkammer.
Johnnie nickte. »Sobald sich Tallard und Marlborough für ein Schlachtfeld entscheiden.«
»O Mylord …« Lucy Gerard starrte ihn ehrfürchtig an. »Haben Sie schon einmal einen Mann getötet?«
Nach einer Weile brach Elizabeth das peinliche Schweigen, das dieser indiskreten Frage folgte. »Tut mir leid, ich habe Sie noch nicht miteinander bekannt gemacht. Der Earl von Graden – Lucy und Jane Gerard.«
Höflich knicksten die beiden Mädchen vor dem berüchtigten Laird. Jane lächelte ihn kokett an, und Lucy, die jüngere, erklärte hastig: »Oh, ich meine, weil Sie soviel über den Krieg wissen …«
»In der englischen Armee habe ich nie gedient«, erwiderte Johnnie und erwähnte nicht, daß er beim französischen Heer gekämpft hatte, unter dem Kommando seines Onkels.
»Ach, es muß ein faszinierendes Gefühl sein, wenn man als Geisel genommen wird«, meinte Jane, die ihr eigene Strategie entwickelt hatte. Ihre Dreistigkeit überraschte Munro nicht, der schon mehreren taktlosen Fragen nach seinem Vetter ausgewichen war. Obwohl sie ihre Worte an Elizabeth richtete, schaute sie Johnnie an.
»Im Grenzland ist dieses Verfahren durchaus üblich«, entgegnete er, um Elizabeth aus der Verlegenheit zu helfen.
»Wie lange waren Sie denn dort, Lady Graham?«
»Also wirklich, Jane«, mischte Anne Baldwin sich ein. »Elizabeth hat sicher keine Lust, immer wieder zu schildern, wie sie gegen Lord Gradens Bruder ausgetauscht wurde.«
Inzwischen hatte sich diese Geschichte in der Umgebung von Three Kings herumgesprochen. Aber die Anwesenheit des attraktiven, skandalösen Grenzlords weckte erneut das Interesse der sensationslüsternen Gerard-Schwestern.
»Wollen Sie uns nicht zeigen, wie Ihre Bauarbeiten vorangehen, Elizabeth?« schlug George Baldwin vor, um die unangenehme Gesprächspause zu überbrücken. »Wie ich höre, wurden die Grundmauern bereits errichtet.«
»Munro, übernehmen Sie das«, bat Elizabeth, dankbar für die Freundlichkeit der Baldwins. »Davon verstehen Sie viel mehr als ich.«
So wanderte die ganze Gesellschaft durch die Verandatüren ins Freie. Zu dem Landsitz, den Elizabeth mit ihrem ererbten Geld gekauft hatte, gehörten ein Tudor-Gebäude aus roten Ziegeln, ein terrassenförmig angelegter Garten und eine kleine romanische Ruine auf dem pittoresken Gipfel eines Hügels, wo auch das neue Haus entstehen sollte.
»Das wird ein langer Nachmittag«, flüsterte Johnnie in Elizabeths Ohr, während sie den anderen in einigem Abstand folgten. »Zweifellos würden die Gerard-Schwestern gern wissen, was wir letzte Nacht getan haben – und zwar in allen Einzelheiten.«
»Oh, die beiden interessieren sich nur für dich, Liebling.« Sie drehte eine Pirouette, und der weite, apfelgrüne Rock schwang anmutig um ihre Beine. »Wäre es in der Öffentlichkeit erlaubt, würden sie dich stöhnend umschwärmen.«
»Erspar mir das!«
»Findest du Lucy nicht hübsch?«
»Nein.«
»Vielleicht entspricht Jane eher deinem Geschmack.«
»Das macht dir wohl Spaß, nicht wahr? Nein, Jane gefällt mir auch nicht. Ich verabscheue alberne, schmachtende Blondinen.«
»Bis jetzt hat sie noch nicht geschmachtet.«
»Aber sie wird’s tun, verlaß dich drauf.«
»Bist du deiner Anziehungskraft so sicher, Johnnie? Aufgrund deiner reichhaltigen Erfahrungen?«
»Allerdings. Und wenn du jetzt nicht aufhörst, von diesen dummen Gänsen zu reden, blamiere ich dich – vor all deinen Gästen.«
»Drohst du mir?«
»O ja.«
»Genausogut könnte ich dich in Verlegenheit bringen.«
»Unmöglich«, erwiderte er grinsend. »Falls du das versuchen willst, bist du ein paar Jahre zu spät dran.«
»Arroganter Kerl!«
»Nein, ich möchte nur ehrlich sein. Von dieser Welt weiß ich mehr als du.«
Da konnte sie nicht widersprechen. Mittlerweile näherten sie sich den
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