Flehende Leidenschaft
eingetroffen war, und die Fortschritte auf der Baustelle zu begutachten. »Sie sehen so fröhlich aus, meine Liebe«, bemerkte er beim Tee.
»Vermutlich, weil mein neues Haus allmählich Gestalt annimmt.«
»Ich bewundere Ihre einzigartigen Fähigkeiten, Elizabeth. Soviel ich weiß, begnügen sich die meisten Frauen mit ihrem Haushalt.«
Am liebsten hätte sie erwidert: Die meisten Frauen haben keinen Harold Godfrey zum Vater und waren nicht mit einem despotischen Hotchane Graham verheiratet. Deshalb mußten sie nicht lernen, sich gegen unbarmherzige Männer zu behaupten … Doch das hätte der konservative George wohl kaum verstanden. »Was ich tue, ist nur eine andere Form von Haushalt. Als Witwe mußte ich eine gewisse Selbständigkeit entwickeln.«
»Sie können Ihre Witwenschaft beenden, wenn Sie meinen Antrag annehmen.« Sein Lächeln bekundete aufrichtige Zuneigung. »Wie gern würde ich Sie von allen Bürden befreien!«
»Danke, George. Sie wissen, wie sehr ich Ihre Freundschaft schätze. Aber meine Freiheit geht mir über alles. Hotchane war ein schwieriger Mann …«
»Ein schrecklicher Mann!« unterbrach er sie erregt. »Und Sie verdienen etwas Besseres. Nicht alle Männer sind so wie Hotchane. Und wenn ich Ihnen mein Herz zu Füßen legen dürfte …«
»Bitte, George, wechseln wir das Thema. Ich bin nicht an einer zweiten Ehe interessiert. Dank meines Erbes habe ich’s auch nicht nötig, wieder zu heiraten.«
»Vielleicht werden Sie sich eines Tages einsam fühlen, Elizabeth.«
So fühlte sie sich schon jetzt, weil sie sich nach einem Mann sehnte, der wahrscheinlich keinen Gedanken mehr an sie verschwendete. Doch sie erwiderte betont gleichmütig: »Für solche Emotionen fehlt mir die Zeit. Sie sehen doch, wieviel ich zu tun habe.«
»Meine Liebe, ich kann sehr beharrlich sein.«
»Oh, ich auch. Aber ich freue mich, wann immer Sie mich besuchen, George. Und nochmals vielen Dank für das Buch.«
»Wenigstens darf ich Ihre Bibliothek ergänzen. Ich finde übrigens, daß Mr. Falsey den Aufstand im Westen viel zu milde beurteilt. Wenn’s nach mir ginge, wären diese Rebellen alle im Tower gelandet.«
»Das hängt mit Ihrer politischen Gesinnung zusammen. Andere Leute wollten die Rebellen auf dem Thron sehen.«
»Was für ein gräßlicher Gedanke …«
Eine Woche später kamen zwei von Hotchanes Söhnen zu Besuch – keineswegs in freundlicher Absicht, und sie bedauerte, daß sie Redmond befohlen hatte, die beiden zu schonen. Matthew und Lawson Graham mußten ihre Waffen vor der Tür ablegen, Trotzdem wurde sie von kalter Angst erfaßt, als sie ihnen im Salon gegenüberstand.
In den großen, kräftigen Männern erkannte sie die jüngere Version ihres verstorbenen Gemahls. Matthew, fünfzig Jahre alt, musterte sie ebenso kalt und verächtlich wie sein sechsundvierzigjähriger Bruder.
»Natürlich würde ich euch gern Erfrischungen anbieten«, begann sie in ruhigem Ton. »Aber ich nehme an, ihr wollt dringende Geschäfte mit mir besprechen.« Auf ihrer Zufahrt drängten sich bewaffnete Gefolgsleute.
»Wir haben beschlossen, dich wieder zu verheiraten«, erklärte Matthew ohne Umschweife. »Bald ist das Trauerjahr vorbei.«
»Vielen Dank für deine Besorgnis«, erwiderte sie sarkastisch, »aber ich möchte nicht heiraten.« Wie konnte er es wagen? Um ihren Zorn zu meistern, mußte sie die Hände ballen. Bei der Ankunft ihrer Stiefsöhne hatte sie im Garten gearbeitet, und ihr Sommerkleid war voller Gras-und Lehmflecken. Sie wirkte wie ein junges Mädchen, was ganz und gar nicht zur kühlen Autorität ihrer Stimme paßte.
»Glücklicherweise bin ich nicht auf eine zweite Ehe angewiesen, da mir euer Vater genug Geld vererbt hat.«
»Weil er sich von dir verhexen und betören ließ«, entgegnete Matthew spöttisch.
»Deinen leidenschaftslosen Vater konnte man nicht betören.« Herausfordernd erwiderte sie seinen Blick.
»Ich hab’s dir ja gesagt, sie wird nicht auf uns hören«, murmelte Lawson. Unbehaglich trat er von einem Fuß auf den anderen.
»Das spielt keine Rolle«, entgegnete der ältere Bruder, ohne Elizabeth aus den Augen zu lassen. »Also, wir wollen dich mit Luke verheiraten. Seine Frau starb letztes Jahr.«
Nachdem Hotchanes jüngster Sohn bereits zwei Ehefrauen unter die Erde gebracht hatte, beabsichtigte Elizabeth nicht, die dritte zu werden. »Eins muß ich klarstellen, Matthew. Ich mag weder dich noch deine Brüder. Und Redmond haßt euch geradezu. Deshalb schlag ich
Weitere Kostenlose Bücher