Flehende Leidenschaft
Lady. Redmond hat mir erzählt, du seist eine gelehrige Schülerin gewesen.«
Entschlossen bezwang sie ihre Angst und sprach ebenso leichthin wie er. »Sag mir nur, worauf ich schießen soll.«
»Wenn’s dazu kommt, werde ich dir sehr genaue Anweisungen geben.«
Mit zwei Packpferden brachen sie auf, wichen allen Dörfern aus und ritten querfeldein, wann immer es möglich war. Ehe sie am frühen Nachmittag im Wald von Dens ankamen, spähte Johnnie immer wieder über die Schulter. Aber kein einziger Verfolger ließ sich blicken. Dichtes Unterholz und hoch aufragende Eschen verbargen die Flüchtlinge.
Sobald sie vor den Dragonern sicher waren, zügelten sie die Pferde, und Johnnie hob seine Frau aus dem Sattel, damit sie sich die Beine vertreten konnte. »Tut dir das weh?« fragte er besorgt. »Es dauert nicht mehr lange, dann sind wir am Ziel.«
»Sehr gut. Ich bin nämlich furchtbar hungrig. Und hör auf, mich wie ein dreijähriges Kind zu behandeln – ich fühle mich großartig und werde sicher nicht zusammenbrechen. Könnte ich schon jetzt was essen?«
»Natürlich.« Er lächelte erleichtert, nahm sein Plaid von der Schulter und breitete es auf braunen Fichtennadeln aus. »Setz dich, Mrs. Reid hat ein Picknick eingepackt, aber ich kann auch Feuer machen …«
»Nein, danke, ich esse sehr gern was Kaltes – wenn ich nur überhaupt was kriege.« Unterwegs hatte sie angesichts der Gefahr nicht gewagt, ihren Hunger zu erwähnen.
Während der Mahlzeit erzählte er von der Waldhütte, wo er in seiner Kindheit viele Wochen mit Polwarth, dem Wildhüter seines Vaters, verbracht hatte. »Damals lernte ich Jagen, Fischen und Spurenlesen. Wenn du willst, gehe ich mit dir auf die Falkenjagd. Es ist ein wunderbarer Anblick, wenn man einen Wanderfalken aus luftiger Höhe auf die Beute herabstürzen sieht. Aber wenn du einen etwas geruhsameren Zeitvertreib vorziehst – ich habe Bücher für dich eingepackt.«
»O nein, ich möchte die Falken beobachten«, erwiderte sie und stellte sich vor, wie der kleine Johnnie diese Wälder durchstreift hatte. Wenn sie ihm einen Sohn schenkte, würde er vielleicht die Liebe des Vaters zur Falkenjagd teilen.
Bei Einbruch der Dunkelheit erreichten sie die strohgedeckte Hütte, die auf einer kleinen Lichtung stand. Hinter den Fenstern schimmerte Licht, ein kläffender schwarzweißer Collie kam angelaufen, der Johnnie sofort erkannte. Dann trat Polwarth auf die Veranda, eine Pfeife im Mund, und kniff die Augen zusammen, um festzustellen, wer ihn besuchte. Erfreut winkte der große, grauhaarige Mann seinem Laird zu und umarmte ihn.
Jetzt waren sie endgültig in Sicherheit.
»Polwarth, das ist meine Frau Elizabeth«, erklärte Johnnie und hob sie aus dem Sattel.
»Guten Abend, Ma’am.« Etwas ungeschickt, aber höflich verneigte sich der alte Mann. »Also bist du verheiratet, Johnnie. Du siehst richtig glücklich aus.«
»Das bin ich auch.«
»Sicher willst du keinen kurzen Urlaub bei mir machen«, bemerkte Polwarth und musterte die beiden Packpferde. »Führ deine Lady ins Haus, mein Junge. Inzwischen bringe ich die Tiere in den Stall.«
»Wie nett er ist, Johnnie!« meinte Elizabeth, als sie die Hütte betraten. »Hilf ihm jetzt, die Pferde zu versorgen. Ich komme schon allein zurecht.«
»Es dauert nicht lange«, versprach er und schaute sich in dem blitzsauberen Raum um, der als Wohnküche diente. »Setz dich in Polwarths Sessel vors Feuer, da kannst du deine durchfrorenen Glieder wärmen.«
Nachdem er hinausgegangen war, betrachtete sie die schlichte Einrichtung – einen Eichentisch mit vier Stühlen, einen hohen Schrank. Über der Feuerstelle hingen Kupfertöpfe und -pfannen. Der Duft frischgebackener Hafermehlkuchen mischte sich mit dem Geruch von Polwarths Pfeifentabak.
Neben dem Herd standen zwei abgewetzte Sofas, die den Polstersessel des Hausherrn flankierten. Elizabeth befolgte Johnnies Rat, nahm Platz und wärmte sich. Hin und wieder stand sie auf, um nach den Hafermehlkuchen im Ofen zu sehen.
Glücklicherweise kehrten die Männer zurück, bevor sie den Kuchen herausnehmen mußte. Das wäre ihr in ihrem Zustand etwas schwer gefallen. Bald saßen sie alle am Tisch und genossen eine herzhafte Mahlzeit.
Die nächste Woche verlief angenehm und idyllisch, trotz der ungewissen Zukunft. Im Schutz des Dens Forest konnten sie die Gefahren der Außenwelt vergessen.
Manchmal wünschte Johnnie, die Verantwortung des Lairds von Ravensby würde nicht auf seinen Schultern
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