Fleisch ist mein Gemüse
da
abrechnen. Er zog die Abrechnungen immer extra in die Länge in der Hoffnung, dass der Abbau dann schon vorbeiwar. Nach ungefähr einer dreiviertel Stunde kehrte er euphorisch zurück.
«Jungs, ich muss euch mal was sagen: Die waren total begeistert. Der Dicke hat gesagt, dass sie so ’ne Stimmung überhaupt noch nicht hatten. Weihnachten spielen wir hier auf jeden Fall wieder.»
Gegen fünf kamen wir los. Nach dem Scheiß-Ausladen und den Spiegeleiern gab es endlich des Abends Lohn: dreihundertfünfzig Deutsche Mark pro Nase.
Schorsch
Am Morgen danach
(Tommy Steiner) wachte ich wie sonst auch gegen 15 Uhr auf und kam den ganzen Tag nicht mehr recht zu mir. Wie ein träges Insekt saß ich herum und verbrachte die Stunden in diesem ganz einzigartigen Zustand, den ich für mich Muckerstarre nannte. Früher hatte ich mich sonntags immer mit Niels getroffen, doch der hatte plötzlich eine Freundin. Aus dem Nichts! Eine richtige Freundin! Damit nahm er unserer Solidargemeinschaft die Grundlage. Ob er sich das auch gut überlegt hatte? Na ja, sollte er doch, jeder, wie er will. Die neue Freundin hörte auf den dubiosen Namen Tomke, und sie gluckten wie alle Pärchen ständig nur noch doof zu zweit herum. Typisch! Wir würden ja sehen, wer den längeren Atem hatte! Tomke, was für ein bescheuerter Name. So traf ich mich am heiligen Sonntag jetzt bevorzugt mit Norbert und Jens, die sich nicht zu schade waren, den beschwerlichen Weg von Winsen nach Harburg anzutreten, um mit mir meinen Stammgriechen aufzusuchen. Die
Taverna Stavros
war vom Zwergenhaus nur etwa zehn Minuten zu Fuß entfernt, aber nichts auf der Welt hätte Jens dazu gebracht, das Auto stehen zu lassen. Jeder Weg, der länger als hundert Meter war,
musste
mit dem Auto zurückgelegt werden. Als leidenschaftlicher Automobilist war Jens natürlichauch Mitglied des ADAC, dessen Ziele er bedingungslos unterstützte. Radarabzocke, LK W-Wahnsinn , Tempo-3 0-Zonen , Überholverbote! Der deutsche Autofahrer – ein verängstigtes und bereits waidwundes Wild, das von allerlei finsteren Mächten zu Tode gehetzt werden sollte. Die Grünen, der Staat, Mineralölkonzerne, dubiose Naturschutzverbände ohne Vereinsstatus und die fanatische Radfahrerlobby bildeten ein Kartell des blinden Hasses gegen die motorisierten Bürger. Der deutsche Autofahrer: getriezt, gepikt und abgemolken!
Vorne war die
Taverna Stavros
eine Kneipe mit Tresen und allem Drum und Dran. Das eigentliche Restaurant verlor sich irgendwo in den Untiefen des Gebäudes. Es war fast immer verwaist, denn die wenigen Stammgäste blieben vorne sitzen. Der Besitzer hieß Georgios, wurde von allen aber nur Schorsch gerufen.
«Tag, Schorschi.»
«Hallo, Junkens (er sprach das g in Jungens immer wie k aus), wie geht euch das. Was wollt ihr? Wie immer?»
Wir aßen sonst immer Souvlaki.
«Nee, Schorsch, heute nicht. Wir nehmen alle mal Calamari.»
Den Abend vorher hatte Jens auf einer Silberhochzeit ungefähr zwei Kilo Fleisch verdrückt. Norbert und ich zusammen auch zwei Kilo, plus Beilagen. Jetzt hatten wir Fischappetit, Tintenfischappetit, obwohl der Mensch ja eigentlich nicht im Wasser lebt. Eine halbe Stunde später kam Schorsch krakenartig langsam mit drei Tellern Matschepatsche zurück.
«Einen recht guten Appetit wünsch ich euch. Lasst es euch schmecken, Junkens.»
«Danke, Schorschi.»
Wir starrten auf das Essen, von dem ein eigenartiger Geruch ausging.
«Ich weiß nicht, das riecht jetzt hier aber nicht so gut.»
«Vielleicht muss das so. Das ist die Soße.»
«Ach Quatsch, Calamaries müssen doch nicht stinken.»
«Was weiß ich denn, bin ich Jesus? Ich probier mal.»
Ich schnitt eine kleine Ecke ab und kostete. Wer einmal in verdorbenen Tintenfisch gebissen hat, wird das sein Lebtag nicht vergessen. Nur mit Mühe konnte ich es vermeiden, mich zu übergeben. Schorsch lehnte am Tresen, beobachtete uns und machte einen auf harmlos. Wir winkten ihn heran.
«Was ist los, Junkens? Schmeckt nicht?»
«Hier, probier mal, die Calamares sind total verdorben. Wie kann das denn angehen!?»
Schorschi blickte unschuldig. «Tut mir Leid, aber meine Frau hat gesagt, ist vielleicht nix gut.»
Jens wurde ernsthaft sauer. «Was heißt das, ist vielleicht nix gut. Wusstet ihr etwa, dass das Zeug schlecht ist?»
«Ich weiß nicht. Ich sag gleich mal Bescheid. Bleibt mal sitzen, ihr kriegt Souvlaki aufs Haus.»
Weil wir große Sparfüchse waren, nahmen wir das Angebot an. In Zukunft allerdings
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