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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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wollten wir uns auf keine Experimente mehr einlassen. Beim Griechen isst man eben Fleisch, das weiß doch jedes Kind!
Vielleicht nix gut
entwickelte sich bei
Tiffanys
zum geflügelten Wort, und in der nächsten Zeit zitierten wir auf jeder Mucke mindestens einmal unseren Wirt.
     
    Diese kleine und eher unspektakuläre Episode war für uns schon ein echtes Erlebnis. Andere bereisten die Welt, wir gingen eben zu Schorsch. Da erlebt man schließlich auch etwas! Ich kam an diesem Abend wie immer angenehm betrunken nach Hause und machte wie immer sofort den Fernseher an. Mein ZD F-Lieblingsnachrichtensprecher Gerhard Klarner, der Dicke, verkündete mit gewohnt professioneller Miene, dass es in der Sowjetunion gekracht hätte und eine radioaktive Wolke im Anmarsch wäre. Wahrscheinlich der erste richtige SuperGAU,aber die russische Regierung hüllte sich in Schweigen. (
«Hüll dich nicht in Schweigen!»;
Roger Whittaker.) Die Nachricht beflügelte mich. Endlich war mal wieder was los in der Welt. Mich würde es sicher nicht erwischen, und wenn doch, egal, ich hing nicht besonders am Leben. Da man nicht genau vorhersehen konnte, in welche Richtung die radioaktive Wolke ziehen würde, verfolgten die Menschen den Wetterbericht so aufmerksam wie nie zuvor. Selbst unsere stockkonservativen und daher atomgläubigen Nachbarn taten so, als ob sie das alles auch schon immer vorausgesehen hätten. Und überhaupt Atomkraft sei ja wohl nix. In den nächsten Monaten wurden viele Wildwitze gemacht, da Wild als besonders kontaminiert galt. Ich ließ mir den Appetit nicht verderben.

Papperlapub
    Nach ein paar Monaten waren Niels und Tomke immer noch zusammen; schlimmer noch, sie wollte ihn einkassieren. Typisch Weiber. Sie hatte ihn weich gekocht; zusammenziehen wollten sie! Und auch noch weg aus Harburg! Sehenden Auges rannte Niels in sein Verderben, er zappelte im Spinnennetz der Psychobraut. Mit welch perfiden Tricks sie das wohl hingekriegt hatte? Kurze Zeit später zogen die beiden nach Hamburg, natürlich ins halbkriminelle Milieu des Schanzenviertels, wo sich Junkies und Hausbesetzer das Revier teilten. Die schönen Erwin-Lehn-Nachtprogramm-Zeiten waren damit nun endgültig vorbei. Aber ich hatte jetzt ja neue Freunde!
    Obwohl ich die Zwergensiedlung nur ungern verließ, fühlte ich mich verpflichtet, ab und an nach Winsen zu fahren, wo ich mit Norbert und Jens ebenfalls zum Griechen ging (Nr.   41,
Mary-Teller
) oder in die Kneipe
Papperlapub
, von Norbert immer nur augenzwinkernd
der hiesige Pub
genannt. Unser Lieblingsthema war Gurki. In jedem sozialen Gefüge gibt es jemanden, der besonderspolarisiert, und bei
Tiffanys
war das unser Gitarrist und Bandleader. Wir begannen die Demontage immer bei seinem dilettantischen Gitarrenspiel («Beim Roberto-Blanco-Medley hat er wieder die ganze Zeit Moll statt Dur gespielt.» – «Sein Timing ist echt grausam.» – «Der kann doch nicht noch schlechter werden, das geht doch gar nicht mehr.» – «Doch, hörst du ja»), machten weiter mit seinen im Laufe der Zeit immer kryptischer werdenden Ansagen («Jaaaaaaaaaaa, liebe Freunde: Swingtime is good Time, good Time is better Time»), um schließlich beim Eingemachten zu landen: Gurki bescheißt uns nach Strich und Faden! Da er die Gagen aushandelte, die Verträge abschloss und nach den Mucken immer allein mit dem Veranstalter zum Abrechnen verschwand, hatte er dazu unserer Meinung nach reichlich Gelegenheit. Nach außen hin war Gurki der Chef, und wir ergaben uns in unsere Rolle als unterbezahlte Arbeitsbienen. Das war gerade dem Veranstalter gegenüber wichtig, denn Veranstalter brauchen Orientierung. Ob Brautvater, Schützenkönig oder erster Dorfjugendlicher: Eine Tanzband ist für sie ein hierarchisches Gefüge, in dem nur einer das Sagen hat. Man stelle sich vor:
    «Wer ist denn hier der Chef?»
    «Es gibt bei uns keinen Chef. Wir verstehen uns als sozialistisches Kollektiv und rechnen im Rotationsprinzip ab.»
    Das hätte man mal bringen sollen! Als schwule Terroristen wären wir sofort des Saales verwiesen oder gleich per Genickschuss getötet worden.
    Eine weitere Zielscheibe unserer Hasstiraden war Gurkis Kleidung. Er kaufte bevorzugt Artikel der Karstadt-Hausmarke
Le Frog
. Jeans, Sweatshirt, Hemd, Hose, alles
Le Frog, Le Frog, Le Frog
. Wahrscheinlich hielt er die Marke in seiner Orientierungslosigkeit sogar für besonders exklusiv. Ich hatte den Eindruck, dass er mit den Jahren tatsächlich einem Laubfrosch zu ähneln

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