Fleisch ist mein Gemüse
hinteren Teil des Zimmers lag Torsten auf einer Matratze und schnarchte friedlich. Vielleicht hatte er ja vorhernoch die
Bunte
gelesen und sich beim Anblick einer der beiden Monegassenprinzessinnen erleichtert. Er war doch schließlich auch nur ein Mensch! Und jetzt? Das war eindeutig zu viel. Was für eine Unverschämtheit. Erbärmliche Kollegen. Kollegen? Kameradenschweine! Rücksichtslose, geile Fickböcke! Wieso denn hier? Die Weiber hatten doch wohl auch ein Zimmer! Von Rechts wegen hätte man die stöhnenden Drecksäue mit nassen Lappen aus dem Bett prügeln müssen, aber was machten wir?
Oh, Entschuldigung, das wussten wir nicht.
Und Tür wieder zu. Wohin jetzt? Zurück in den Saal? Vielleicht auf der Toilette pennen? Uns fiel die Garderobe im Keller ein. Wir legten uns auf die kalten Holzbänke und schafften es dann irgendwie einzunicken. Wir hatten jedoch nicht bedacht, dass in der Garderobe noch, wie der Name schon sagt, Garderobe hing. Die ersten Gäste standen bereits gegen halb zehn auf der Matte, um sich ihre Sachen zu holen. Dazu kam, dass es über Nacht wolkenbruchartig geregnet hatte und der Keller ungefähr dreißig Zentimeter tief unter Wasser stand. Die Gäste stiegen über uns hinüber und angelten nach ihrer Bekleidung, wobei sie abfällige Bemerkungen über Musiker im Allgemeinen und über die Pennertruppe
Tiffanys
im Besonderen machten. Unsere Leistung vom Vorabend schien bereits vergessen. Ich war müde und immer noch sternhagelvoll. Außerdem fror ich wie ein Schneider, und mir war schlecht. Eine elendere Kombination gibt es wohl auf Erden nicht, außer vielleicht bei lebendigem Leib aufgegessen zu werden. Der Strom der Gäste riss jetzt nicht mehr ab. Nach einer halben Stunde gaben wir auf und verdrückten uns in den Frühstücksraum.
Und wer saß da fröhlich pfeifend und plaudernd? Die Kollegen mitsamt den beiden Ladys. Jens und Gurki waren ausgesprochene Morgenmenschen. Sie aßen dick mit Butter bestrichene Brötchen mit Schinken, Marmelade, Käse, Honig und Wurst. Und natürlich Eier. Diesmal war das Eieressen jedochkein leeres Ritual; es musste ja wieder Tinte auf den Füller. Eier, Eier, Eier, aber natürlich gekocht. Faustregel: Eier morgens kochen, mittags nur zum Panieren von Fleisch verwenden und abends die Eier braten. Rührei, Spiegelei. Vor Jens stand eine große Schale mit Eierschale. Schale mit Eierschale, haha, typische Eiformulierungsschwächen. Wie viele Eier sie wohl schon gegessen hatten? Zwanzig? Dreißig? Und die Frauen? Ob die auch Eiappetit hatten? Fragen über Fragen. Eine dichte Wand aus Eidunst trennte uns und die liebessatte Bande.
«Ach guck mal, wer da kommt, die Herren Mitmusiker. Setzt euch doch.»
Die beiden waren in Geberlaune. Ich nahm die Ladys ins Visier. Gurkis Braut sah bei Tageslicht doch besser aus als erwartet und wurde von ihm dauernd damit aufgezogen, dass sie VW Scirocco fuhr.
«Scirocco fährt sie, hahaha, guck dir das einer an, Scirocco fährt sie, ich brech zusammen, Scirocco!»
Die Schläfrige hingegen war leichenblass und hatte ausgesprochen schlechte Haut. Aber nicht so ein Pickelface wie ich, sondern großporig mit tiefen Furchen und Kratern. Jetzt rauchte sie H B-Zigaretten und machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Frühstückszeit, Kaffeezeit. Vielleicht sollte ich wie alle anderen auch ein Tässchen trinken, denn schließlich macht Kaffee munter und auch wieder nüchtern. Was für eine bescheuerte Idee. Campari und Bohnenkaffee begannen in meinem Magen sofort eine grausame Schlacht, aus der ich als Verlierer hervorging. Ich stellte mich vors Gasthaus. In dem Moment, als der erste Reisebus den Parkplatz verließ, fing ich an, mich in großen Schwällen zu erbrechen. Ich verlor jegliche Contenance und brüllte wie ein sterbendes Tier. Die Gäste drückten sich an den Scheiben ihre Nasen platt und amüsierten sich köstlich über die unerwartete Performance. Jaja,
die Tiffanys
sind schon ein verrückter Haufen. Geschieht ihnen recht,wenn sie hinterher brechen müssen! Einige besonders schlechte Menschen klopften an die Scheiben und reckten ihre Daumen nach oben. Dann kam auch noch der Wirt heraus: «Ach du lieber Scholli!» Das war natürlich gut. Ach du lieber Scholli. Wirte bringen Sachen oft präzise auf den Punkt.
Zu Hause angekommen, latschte ich erst einmal zum nächsten Kiosk und holte mir eine Batterie Bier. Das hatte ich mir verdient. Morgen würde wieder Schluss mit Saufen sein. Ich setzte mich vor den Fernseher und
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