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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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kommenden Jahre einen eisernen Sparkurs. Schon die lächerlichen dreißig Kilometer von Winsen nach Harburg waren ihm zu weit, wegen der Benzinkosten. Und dann noch das ganze Souvlaki! Und das ganze Bier! Und das ganze Geld, das im Daddelautomaten landete! Er hatte inzwischen im Lüneburger Sozialamt eine Stelle als Inspektor angetreten. Unablässig pfeifend entschied er über Weihnachtsbeihilfe, Bekleidungszuschuss oder ob
im Endeffekt
überhaupt irgendwelche Ansprüche bestanden. Ein-, zweimal habe ich ihn noch mit Engelszungen zum Münzautomatenspiel überreden können, aber die
Magie
war weg. Lustlos steckte er ein paar Geldstücke in die Kiste, um nach kurzer Zeit mit den Worten «Ich glaub, der kommt heut nicht» zu kapitulieren. Dann eben nicht, du Geizknüppel.
    Norbert wollte die vakante Stelle auch nicht antreten. Er hatte einfach keinen Sinn fürs Glücksspiel.
    «Jede Mark, die man in einen Daddelautomaten steckt, ist eine rausgeschmissene Mark. Hast du eigentlich mal ausgerechnet, was du in den letzten Jahren verloren hast?»
    Natürlich nicht, du Stiesel! Schorsch musste schließlich aufgeben, und in die Räumlichkeiten der Taverna zog ein Italiener ein, den wir selbstverständlich boykottierten. Der arme Schorsch heuerte in einer Schuhfabrik an. Was wohl aus ihm geworden ist?
    Ich ging jetzt zum Spielen nur noch in die Spielhalle, wobei ich zuerst noch anstrengendes Hallenhopping betrieb, da ich nach ein paar Wochen im gleichen Automatencasino der Aufsicht nicht mehr in die Augen schauen mochte.
Der junge Mann ist noch keine dreißig, mein Gott, wie oft er hier ist, der Arme hat wohl nichts anderes zu tun, und Freunde hat er bestimmt auch keine
. Ich wollte unter gar keinen Umständen, dass jemand so über mich dachte. Ich wollte überhaupt nicht, dass sich irgendjemand irgendwelche Gedanken über mich machte. Ich wollte spielen, fertig. Auch die dämliche Fachsimpelei anderer Spieler ging mir auf die Nerven.
Du musst ganz kurz drücken. – Nur nach Ton, nur nach Ton, nicht hingucken. – Den Jumbo musst du tackern. – Bei der großen Ausspielung sofort auf Stopp drücken
. Was für ein aus gemachter Quatsch. Ich sprach niemanden an und wollte auch von niemandem angesprochen werden.
    Morgens kamen meist nur ein paar Rentner, Arbeitslose oder Spieler, die am Vorabend ihre Serie nicht mehr zu Ende hatten spielen können. Denn wer bei Geschäftsschluss noch Sonderspiele auf dem Zeiger hatte, musste eben am nächsten Morgen wiederkommen, basta. Mittags vertrieben sich oft Handwerker die Zeit, nachmittags wieder Rentner und Arbeitslose, und ab sechs Uhr trudelte eine Rotte Südländer ein, die offenbar dem kleinkriminellen Mileu angehörten. Immer, wenn ich ein paarGesprächsfetzen aufschnappte, ging es um Autoschiebereien, Diebstähle und Hehlerei. Die Bande spielte nur gelegentlich, meist unterhielten sie sich lautstark. Wieso trafen sie sich eigentlich in einer Spielhalle, und warum duldete die Aufsicht ihre Verbrecherzusammenkünfte? Fragen über Fragen.
    Irgendwann betrat ich zum ersten Mal
Glawes’ Spielhalle
. Es war Liebe auf den ersten Blick. Die Raumaufteilung, die Grünpflanzen, das winzige Aufsichtskabuff und natürlich die Spieler selbst! Bei meinem Erstbesuch hockten im hinteren Teil der Halle zwei in dicke Mäntel gepackte Rentner apathisch vor den Geräten. In Höhe der Aufsicht tobte sich ein aggressiv spielender Mittdreißiger aus, und vorn, beim Kaffeeautomaten, hing eine Hand voll Südländer ab, wahrscheinlich auch hier aus dem kleinkriminellen Milieu. Und Wolfgang war auch da. Sofort durchschaute ich, dass er zum Inventar gehörte. Herrlich! Jedes Detail stimmte. Die Rentner hatten prall gefüllte Pennytüten neben ihrem Stuhl abgestellt. Rentner in Spielhallen
müssen
immer gerade vom Einkaufen kommen! Ganz wichtig. Es war die beste Halle der Welt, und ich beschloss, hier alt zu werden. Immer, wenn ich zu Glawes ging, war Wolfgang auch schon da. Er war so um die dreißig, fett und starker Raucher. Da er immer da war, wenn ich da war, schloss ich, dass er wohl jeden Tag in die Halle kam. Es gab zwei Aufsichten bei Glawes, eine aschfahle Polin, die unentwegt Illustrierte las, und einen enorm säuisch aussehender Mittfünfziger, der die Spieler ungefragt mit Tipps zum besseren Abmelken der Gurken oder mit stumpfen Lebensweisheiten versorgte. Ich hasste den fetten Patron vom ersten Augenblick an. Außerdem führte er ständig lautstark Privatgespräche vom Diensttelefon. Das war

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