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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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seine Kleidung war mehrere Klassen besser als unsere: italienische Lederslipper, Diesel-Karottenjeans (wegen der dicken Oberschenkel), Lacoste-Pulli und Sakko von Boss. Er nahm das Styling vorweg, das Jahre später als
Hans-Meiser-Look
die Republik erobern sollte. Überhaupt war Torsten der erste richtige Markenträger, den ich kannte. Bei jeder Promiparty wäre er problemlos reingelassen worden, während wir verzweifelt versuchten, unsere No-Name-Schrottklamotten irgendwie human miteinander zu kombinieren. Doch egal, wie wir es anstellten, Schrott kombiniert mit Schrott ergibt Vollschrott. Egal, ob wir zur Polyesterthermohose das Eiersweatshirt trugen, die bulgarische Karottenbundfaltenhose mit Drogeriesocken akzentuierten oder den elektrostatisch stark aufgeladenen Vollacrylunterziehrolli mit der aufgerubbelten Trainingshose zu komplettieren versuchten: Wir blieben Lumpenproletariat. Zeltartige Großraumjeans und essbare Einwegkleidung schlugen die letzte Luke zur Sonnenseite des Lebens endgültig und für immer zu.
    Irgendwie passten
Tiffanys
und Torsten nicht mehr zusammen. Zwei Monate später gab er auf dem Scharmbecker Erntefest seinen Rücktritt bekannt:
    «Jungs, ich muss euch mal was sagen. Ich steig zum Jahresende aus. Ihr habt jetzt noch vier Monate Zeit, jemand Neuen zu finden, aber für mich ist Silvester Schicht im Schacht.»
    Betretenes Schweigen. So eine Scheiße. Jetzt war er mir zuvorgekommen. Ich wollte doch der Erste sein! Und was würde jetzt aus
Tiffanys
werden? Würden wir personell ausgeblutet auseinander brechen? Und die Bandmoral? Vielleicht war ja gerade die einzigartige Personalstruktur das Geheimnis unseres Erfolges gewesen und Torstens Ausstieg der Anfang vom Ende. Es wurde ein trauriges Erntefest.
     
    Vier Monate blieben uns nur! Wir mussten dringend einen Nachfolger finden und fragten als Erstes im Kollegenkreis herum. Doch niemand kannte einen Schlagzeuger, der frei war. So blieb uns nichts anderes übrig, als Anzeigen zu schalten. In den kommenden Wochen wurden Scharen von Alkoholikern, gescheiterten Existenzen und Dilettanten (
Ich hab gerade kein Schlagzeug, aber ich würd mir eins leihen
) durch den Holzhauer’schen Übungsraum geschleust. Die Suche gestaltete sich viel schwieriger als erwartet. Weihnachten stand schon vor der Tür, als Maik Voss in unseren Proberaum spazierte. Der Blickfang in seinem naturfröhlichen Mondgesicht waren die auffallend schlechten Zähne. Außerdem war er schon zweiundvierzig. Meine Herren, zweiundvierzig, der Methusalem würde aus uns eine Seniorenkapelle machen. Rumpelrumpelklöterklöter. Man konnte zwar erahnen, dass er mal ganz passabel getrommelt haben mochte, aber das war lange her: Er spielte völlig verwahrlost und schien dennoch felsenfest überzeugt, damit durchzukommen. Aber er hatte nicht mit den spitzen Öhrchen von Heinz «Heinzer» Strunk gerechnet. Na warte, mirkannst du kein X für ein U vormachen! So einfach würde das nicht werden. Meiner Meinung nach genügte seine Vorstellung auf gar keinen Fall. Und die Kollegen?
    «So schlecht war das doch gar nicht.»
    «Also, von denen, die bisher hier waren, war er ja wohl eindeutig der Beste.»
    «Kinder, wir können nicht noch monatelang weitersuchen, die Zeit wird langsam knapp.»
    Nein, nein, nein. Ich musste mich schließlich dem Mehrheitsbeschluss beugen, drückte aber immerhin eine halbjährige Probezeit durch. Denn das wäre ja wohl das Letzte gewesen, auch noch die Katze im Sack zu kaufen. Wenn es schief geht, sind wir Arbeitgeber doch die Angeschmierten! Erst viel später gestand er uns, dass wir so etwas wie seine letzte Chance gewesen waren. Maik Voss war fertig. Am Ende. Keine Krankenversicherung, trockener Alkoholiker und außerdem hoch verschuldet! Jahrelang hatte er bei der Schlagersängerin Mary Roos als
musikalischer Direktor
(sprich: Fahrer, Schlagzeuger, persönlicher Sekretär, Diener, Hausbursch, Sklave, Lustgrotte) gearbeitet, von der er dann aber von einem Tag auf den anderen gefeuert wurde. Er war schon seit Monaten verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Job und hoffte, nun eine vermeintlich leicht zu täuschende Dorfbumsband wie
Tiffanys
im Handstreich nehmen zu können. Doch nicht zu früh freuen, Bürschchen. Ich würde schon dafür sorgen, dass ein Herr Maik Voss nicht das erntete, was ich jahrelang gesät hatte! Jetzt hieß es für ihn erst einmal, sich ganz hinten in der Reihe anstellen! Lehrjahre sind schließlich keine Herrenjahre, und während der

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