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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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einkaufen. Nicht im billigen, aber leider kilometerweit entfernten Aldi oder Lidl, sondern im völlig überteuerten Supermarkt um die Ecke. Meine dünnen, gelben Haare flattern im Wind. Vollkommen verunsichert betrete ich die schon wieder umgerüstete Hightechfiliale und versuche kraftlos, die riesigen Einkaufswagen, bei denen wie immer die Rollen klemmen, auseinander zu zerren. Station Nummer eins ist die Tiefkühltruhe, doch das Suppengemüse liegt so weit hinten versteckt, dass ich mit meinen verschrumpelten Ärmchen nicht herankomme. Der Vitaminsaft steht wie alles Billige in der Bückzone und ist damit auch off limits. Als Schmankerl fürs Weekend würde ich so gern Zwieback kaufen, doch ich habe meine Lesebrille vergessen und kann die Preise nicht entziffern. Wahrscheinlich viel zu teuer. Auch das Verfallsdatum für den Quark lässt sich mit bloßem Auge nicht erkennen, wie immer längst abgelaufen. Den Weg zum Obststand versperren riesige Paletten, und meine Lieblingsartikel, wie Salz oder Bohnen, bekommen dauernd einen neuen Platz. Ich trau mich aus Angst vor Hausverbot auch nicht, den Filialleiter anzusprechen. So entwickelt sich diese einzige Unternehmung des Tages zu einem Spalier der Demütigungen, und vollkommen erschöpft kehre ich ins ausgekühlte Zwergenhaus zurück. Ich setze mich mit dem letzten Stück Blockschokolade in den Wohnzimmersessel. Eingehüllt in Heizdecken und eine fleckige Strickjacke, starre ich abwechselnd aus den blinden, einfach verglasten Fenstern und in den Nordmende-Schwarzweißfernseher, bei dem lediglich das erste Programm empfangen werden kann, und auch das nur sehr schlecht. Ich blättere in einem Fotoalbum mit Schnappschüssen von
Tiffanys
. Haha, guck ma, Jens, wie schmal der mit seinen damals 95   Kilo doch war. Und Gurki!Nie wird herauskommen, ob es ein Unfall war oder ob er sich das Leben genommen hat. Grund genug hätte er ja gehabt mit über 200   000   Euro Schulden.
     
    Das Schicksal der Deutschen hieß Helmut Kohl. Er thronte über allem, eine übermenschliche Wesenheit. Der mittlerweile unendlich schwere Patriarch aus Oggersheim war zum Monolithen geworden und hatte alle um sich herum zu willfährigen Schranzen degradiert. Seine Vorzimmerdame Juliane Weber besaß mehr Macht als das ganze Kabinett, VW und die Bundeswehr zusammen. Dr.   Kohl hatte seine Widersacher zu Staub zermalmt, ein Monument von Willen und Physis! Zehntausend Tonnen Demütigung, Schmerz und gescheiterte Angriffe hatte er in den geheimnisvollen Tiefen seines mächtigen Leibes für immer eingelagert. Ewig würde er Kanzler bleiben, der erste
Erbkanzler
der Bundesrepublik. Er würde sich tatsächlich das Recht erwerben, die Kanzlerschaft zu vererben, und an wen wohl? An seine Buben natürlich! Walter würde Kanzler werden und Peter seine Frau. Mit einem Paukenschlag würden sie auf der politischen Bühne auftauchen. Aber erst, wenn die Zeit reif ist. Und das entscheidet ausschließlich einer:
der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Dr.   Helmut Kohl!

Frisches Blut
    Unser Schlagzeuger Torsten verachtete die Tanzmusik. Er verachtete die Veranstalter, die Wirte, das Publikum und uns, seine Kollegen, elende Versager, die ewig bei
Tiffanys
kleben bleiben würden. Immerhin hängte er das nicht an die große Glocke. Er war zu allen freundlich und erledigte zuverlässig die ihm zugewiesenen Arbeiten. Ohne zu murren, schleppte er schwere Boxen und sogar freiwillig den Sarg. Sein Anzug war stets tipptopp, er trank kaum Alkohol und spielte zuverlässig seinenStriemel runter. Torsten hatte noch was vor im Leben. Er war durch seine Ausbildung bei Möbel-Neumann abgehärtet, denn bei Möbel-Neumann wurden so traurige Dinge wie Riesensitzlandschaften, Eicheneinbauküchen im Landhausdesign oder T V-Möbel in der Modefarbe Schwarz verkauft. Um nicht depressiv zu werden, musste man entweder enorm dickfellig oder ein unverbesserlicher Optimist sein. Torsten war beides. Nach der Lehre wechselte er die Branche und stieg unaufhaltsam zum Bezirksvertreter einer Computerfirma auf. Mit seinen reichen Landpopperfreunden flog er gern mal für ein verlängertes Wochenende nach New York, und sie gingen ständig sehr teuer essen, wobei es ihr beliebtestes Amüsement war, die armen Kellner herumzuhetzen. Eines Tages kam Torsten mit einem 320er BM W-Cabriolet in Diamantschwarz-Metallic angebraust. Mit E-Verdeck , Sitzheizung, vierfach elektrischen Scheiben, Volllederaustattung und C D-Wechsler ! Ein Träumchen! Auch

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