Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)

eine Gemeinsamkeit: Sie alle glauben nämlich, dass die Vorkommnisse in Plain Rock in direktem Zusammenhang mit Roswell und der Area 51 stehen. Ihr Hauptargument dafür scheint einzig und allein die geografische Nähe der beiden Städte zueinander zu sein. Denn immerhin sind sie nur etwa 120 Meilen Luftlinie voneinander entfernt. Angesichts der interstellaren Dimensionen, in denen viele dieser Menschen offensichtlich denken, scheint das geradezu ein Katzensprung zu sein...

1.
     
    Deputy Rupert England vom Mary Hill Sheriff Department war der Letzte, der an diesem Tag Feierabend machte.
    In großen Städten , dachte er, mochte es vielleicht üblich sein, dass die Wachen die ganze Nacht über besetzt waren, doch in einem verschlafenen Nest wie Mary Hill war das nicht der Fall.
    Und Deputy England dankte Gott dafür.
    Denn sobald die Geschäfte in der Mainstreet dichtmachten, gab es auch für ihn und seine Jungs keinen Grund mehr, auf ihren Posten zu bleiben. Und für gewöhnlich kehrte gegen sechs Uhr abends allmählich Ruhe ein.
    Und selbst wenn wirklich einmal etwas passierte, kannte ohnehin jeder in der Stadt die Nummer, unter der man ihn zuhause erreichen konnte. Hin und wieder kam das zwar vor – aber es war eher die Ausnahme als die Regel. Meist passierte es im Sommer, wenn die Scheune eines Farmers Feuer fing und er ausrücken musste, um den Vorfall für die Versicherungen zu protokollieren.
    Ansonsten war es ein ruhiges Leben, das er führte. Und es würde noch ruhiger werden, dachte er, wenn Sheriff Duncan in einem Jahr in Ruhestand ging und endgültig das Feld für ihn räumte. Als dienstältestem Deputy war England die Stelle als Sheriff beinahe sicher – die Wahl war dabei nur eine Formalität.
    Er löschte alle Lichter – zuerst die im leeren Zellentrakt und anschließend in den beiden Büroräumen, die er sich mit Sheriff Duncan und den anderen beiden Deputies teilte. Er wollte gerade den Generalschlüssel aus der Schublade seines Schreibtisches kramen, als er das leise Klopfen an der Vordertür vernahm.
    Allein das, dachte England, war schon komisch genug. Denn für gewöhnlich spazierten die Bürger von Mary Hill einfach unaufgefordert in die Polizeiwache und sagten frei heraus, was sie brauchten und wie er ihnen helfen konnte. Die Vertrautheit der Kleinstadt sorgte dafür, dass man auch auf Formalitäten verzichten konnte, ohne sich dabei gegenseitig auf die Füße zu treten.
    In all seinen Dienstjahren hatte England es daher kein einziges Mal erlebt, dass jemand an die gottverdammte Tür geklopft hätte. Und inzwischen war das immerhin schon eine verdammt lange Zeit, dachte er.
    17 Jahre...Mann, di e Zeit fliegt...tempus fuck-it...
    Es gibt immer ein erstes Mal, dachte er und machte das Licht auf seinem Schreibtisch wieder an. Anschließend ging er zur Tür, hinter der er bereits von Weitem die Umrisse einer dunklen Gestalt erkennen konnte.
    Er machte die Tür einen spalt breit auf und der Anblick traf ihn mit voller Wucht:
    Was in Dreiteufelsnamen...
    Draußen, im schwachen Dämmerlicht, stand ein alter Mann, der aussah, als wäre er kurz davor, abzukratzen.
    Schlagartig riss England die Tür auf. Im gleichen Augenblick traf ihn auch das gesamte Ausmaß des schrecklichen Anblicks:
    Die komplette Kleidung des Mannes war blutverkrustet. Einer seiner Arme war in einer provisorischen Schlinge fixiert, während der andere regungslos an seinem Körper hinabbaumelte. Und obwohl England kein Arzt war, konnte er dennoch auf den ersten Blick sahen, dass beide Arme gebrochen waren.
    Doch das war nicht alles:
    Die Haare des alten Mannes waren vollkommen zerzaust und sowohl auf seinen Lippen als auch auf der Stirn waren etliche Brandblasen zu erkennen. Brandblasen, die erst vor Kurzem aufgebplatzt waren und unter denen sich der nasse Schimmer rohen Fleisches abzeichnete.
    Und auch wenn England in diesem Augenblick nicht mehr erkennen konnte, so war er sich dennoch aus unerklärlichen Gründen sicher, dass das nur die Spitze des Eisberges war. Der Mann sah nämlich aus, als hätte ihm jemand verdammt übel mitgespielt. Dafür sprach auch sein ausdrucksloser, glasiger Blick, der ihn förmlich zu durchdringen schien. Es war der Blick eines Mannes, dachte England, der vielleicht soeben gerade als Einziger einen Flugzeugabsturz überlebt hatte.
    Oder einen schweren Unfall... dafür sprach zumindest die Motorradkluft...
    „Oh, mein Gott“, fragte er sofort, „was zum Teufel ist denn mit Ihnen