Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)
vor ihren Verfolgern sicher sein? Würde es ihr überhaupt gelingen, die Schrecken zu vergessen, die sie in den vergangenen Wochen und Monaten durchlebt hatte?
Jede Frage warf eine weitere auf und führte zu noch mehr Kopfzerbrechen. Und mit ihm wuchs auch Claires Angst vor der Ungewissheit, der sie sich immer wieder aufs Neue stellen musste. Sie musste sich immer wieder ermahnen, nicht noch tiefer in diesen Strudel der eigenen Ängste abzugleiten. Manchmal gelang es ihr auch. Doch manchmal, meist nachts, wenn sie mit ihren Gedanken allein war, brachen die gesamten Schrecken über ihr zusammen, begruben sie bei lebendigem Leibe und machten es ihr unmöglich, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
Und erst in diesen einsamen Augenblicken wurde ihr das wahre Ausmaß ihrer Ausweglosigkeit auch wirklich bewusst:
Sie war allein.
Auf einem einsamen Weg, der ins Unbekannte führte.
Und sie hatte schreckliche Angst.
24.
Zunächst war Teddy dem Beispiel des Jungen gefolgt:
Er hatte sich ein Taschentuch über Mund und Nase gebunden, um sich vor dem Gestank zu schützen. Es war nicht gerade leicht gewesen, das Tuch nur mit einer Hand im Nacken zu verknoten. Doch Andy hatte ihm dabei geholfen und dafür gesorgt, dass er dem Gestank zumindest nicht vollkommen schutzlos gegenüberstand.
Anschließend hatte er sich aufgemacht und war die wenigen Schritte zum offenen Kirchenportal gegangen. Seine Knie waren noch immer etwas weich, doch er spürte inzwischen, wie seine Kräfte allmählich zurückkehrten. Seine Eingeweide verkrampften sich zwar noch immer bei jedem Atemzug, doch es war längst nicht mehr so schlimm wie noch vor wenigen Minuten.
Als er schließlich beim Portal angelangt war, blieb er stehen, stemmte seine gesunde Hand in die Hüfte und schaute ins Innere der Kirche.
Auf den ersten Blick konnte er jedoch nichts erkennen. Die Sonne stand ungünstig und nur ein dünner Lichtstrahl ergoss sich daher in das Innere des Gebäudes und erhellte einige hölzerne Kirchenbänke. Der Rest hingegen lag noch immer im Halbdunkeln – nichts weiter als ein Gewirr aus Schatten.
Teddy hielt daher einige Augenblicke inne und wartete darauf, dass sich seine Augen an die schlechte n Lichtverhältnisse gewöhnten. Die Sekunden verstrichen, während sein Herz immer weiter beschleunigte. Gleichzeitig konnte er spüren, wie immer mehr Adrenalin durch seine Adern schoss.
Trotz der Angst, der Anspannung und der Übelkeit musste er sich in diesem Augenblick eingestehen, dass er dieses Gefühl genoss. Es war das gleiche Gefühl, dachte er, wie wenn man auf dem Motorrad saß und ordentlich Gas gab. Es war ein Kribbeln, das jenen Regionen des menschlichen Geistes entsprang, die für Vernunft und Verstand gleichermaßen unbekanntes Terrain waren. Es war beinahe ein animalisches Gefühl, das Teddys Herz umklammert hielt, während seine Augen immer mehr von dem erkannten, was sich in der Kirche befand. Gleich darauf sah er auch den Grund für den bestialischen Gestank, der ihm aus dem Inneren des Gebäudes entgegenschlug. Und je mehr er davon zu sehen bekam, umso mehr wuchs auch seine Angst.
Oh mein Gott...
Die Kirche war voller Menschen. Auf den ersten Blick schätzte Teddy ihre Zahl auf mindestens 50. Sie lagen dicht gedrängt – auf den Bänken, an die Wände gelehnt und auch quer über den Fußboden verteilt. Frauen, Männer und Kinder lagen dort zusammengekauert. Keiner von ihnen rührte sich und niemand reagierte auf seine Anwesenheit. Und Teddy wusste auch warum:
Sie sind alle tot...
Teddy wusste, dass er recht hatte – er konnte es daran erkennen, wie all die Leiber aussahen: Ihre Wangen waren eingefallen und ihre Haut hatte sich gräulich verfärbt. Zudem waren ihre Glieder alle in verkrampften Positionen erstarrt. Die Totenstarre hatte scheinbar bereits eingesetzt und ihre Gliedmaßen unnatürlich verdreht.
So stand Teddy einige Augenblicke reglos da, während seine Augen über all die Leichen huschten. Seine Gedanken waren zunächst im Leerlauf, doch es dauerte nicht lange, bis er sich von seiner Beklemmung löste. Und dann, als der erste Schrecken verflogen war, brannte er darauf zu erfahren, was zum Teufel mit all den Menschen passiert war.
Er wandte sich zu Andy um und sah ihm tief in die Augen.
„Was ist hier los?“, fragte er. Der Klang seiner Stimme gab in diesem Augenblick gut wider, wie er sich fühlte: Zittrig und schwach.
Andy antworte zunächst nicht, sondern erwiderte nur Teddys Blick. Seine
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