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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Verwaltung hat mir ein Zimmer mit einem Erstsemester beschert.«
    »Zwei verschiedene Welten.«
    »Genau«, sagte Mindy erleichtert, weil jemand sie verstand.
    »Inwiefern verschieden?«, fragte Milo lächelnd.
    »Ich bin der soziale Typ«, sagte sie. »Ich mag Menschen, hatte immer eine Menge Freunde. Shawna war eher eine Einzelgängerin.«
    »Interessanter Charakterzug bei einer Schönheitskönigin.«
    »Ach, das - nun ja, das war zu Hause in Santo Leon.«
    »Und das zählt nicht?«
    »Nein, nein, ich will das nicht schlecht machen - ich hab nur gemeint, dass Shawna zu Hause ziemlich wichtig war, aber hier war sie nur eine neue Studentin unter vielen. Ich ging zur Uni, hatte jede Menge Bekannte von der High School hier und sie nicht. Ich hab versucht - sie hatte nicht viele eigene Freundinnen. Ich meine, wahrscheinlich hätte sie bald welche gehabt - es war gerade erst Quartalsbeginn.«
    »Nicht sehr sozial?«, fragte ich.
    »Nicht sehr.«
    »Also war sie zu Hause in Santo Leon ein großer Fisch in einem kleinen Teich gewesen, aber in L. A. hatte sie Schwierigkeiten, sich hervorzutun.«
    »Ja - ich meine, sie war tatsächlich sehr schön. Aber auf eine ... ländliche Art. Außerdem war der Grundzug ihrer Persönlichkeit - ich will nicht sagen hochnäsig, eher zurückgezogen. Sie war wirklich gerne für sich. Wenn Steve zum Beispiel herkam, ignorierte Shawna ihn, oder sie ging einfach - sie sagte, sie wolle uns Platz machen. Aber ...«
    »Sie dachten, sie wäre vielleicht ein bisschen ungesellig«, sagte ich.
    »Wenn ich ehrlich sein soll? In gewisser Weise schon. Deshalb hab ich an jenem Abend auch nicht besonders aufgepasst, als sie in die Bibliothek ging. Sie war oft nicht da.«
    »Oft?«
    »Ja.«
    »Abends?«
    »Abends und tagsüber. Ich hab sie wirklich nicht oft gesehen.«
    »Hat sie Nächte außerhalb des Wohnheims verbracht?«
    »Nein«, sagte Mindy. »Morgens war sie immer da. Das war auch der Grund, weshalb ich es seltsam fand, als ich morgens aufwachte und sie war nicht da. Aber trotzdem ...«
    »Trotzdem was?«, fragte Milo.
    »Ich bin nicht ausgeflippt oder so. Wissen Sie - wir waren an der Uni. Wir galten als Erwachsene.«
    Milo drehte seinen Kugelschreiber zwischen den Fingern. Ein blauer Plastik-Bic. »Also gab es keinen festen Freund, soweit Sie wissen.«
    »Richtig.«
    »Und diese Notiz, die ich da habe - dass es sich vielleicht um einen älteren Mann handelte. Hat Shawna je etwas davon gesagt, dass sie ältere Männer schätzt?«
    Mindys Rücken lag flach an der Wand. Sie warf noch einen Blick nach oben. Ihre beiden Hände umklammerten den Kugelschreiber.
    »Ms. Jacobus-Grieg?«
    »Wird das - wird alles, was ich Ihnen sage, publik gemacht?«
    »Daran sind wir nicht vorrangig interessiert.«
    »Weil es wirklich nicht der Rede wert war. Und Agnes ...«
    »Was war nicht der Rede wert?«
    Mindy schüttelte den Kopf. »Ich hab einem Reporter - einer Nervensäge vom Cub -von einem Gespräch erzählt, das ich mit Shawna geführt hatte, und er hat der Polizei davon erzählt.«
    »Ein Gespräch worüber?«
    »Männer - worüber Mädchen die ganze Zeit reden. Ich hätte gar nicht davon anfangen sollen. Und diese Nervensäge hätte es nicht wiederholen sollen.«
    »Was wiederholen, Mindy?«
    Mindy rieb eine Sandale an der anderen. »Ich möchte Shawnas guten Ruf nicht aufs Spiel setzen.«
    »In welcher Weise aufs Spiel setzen?«
    »Indem ich Gerüchte in die Welt setze - denn was bringt es schon, nach einem Jahr? Warum sollte ihre Mutter davon lesen und sich aufregen?«
    Milo schob sich etwas näher an sie heran, verlegte sein Gewicht auf einen Fuß und sah sehr müde aus. »Was Mrs. Yeager am meisten zu schaffen macht, ist, dass sie nicht weiß, was Shawna zugestoßen ist. Das ist die absolute Hölle für eine Mutter, und alles, was Sie tun können, um das aufzuklären, wäre eine gute Tat.«
    Mindy kämpfte mit den Tränen. »Ich weiß, ich weiß, aber ich bin sicher, es hat nichts zu bedeuten -«
    »Tun Sie uns den Gefallen. Falls es nicht zur Aufklärung des Falles beiträgt, dringt nichts davon an die Öffentlichkeit.«
    Die Röte überzog inzwischen Mindys ganzes Gesicht. Ein kupferfarbenes Glühen unter der Sonnenbräune, das nichts Gesundes hatte.
    »Es war wirklich nur ein einziges Gespräch«, sagte sie und wischte sich mit der Hand über die Augen. »Vielleicht drei Wochen nach Semesterbeginn. Steve hatte einen Freund, der fand, dass Shawna scharf aussah, und er fragte, ob Shawna vielleicht

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