Fleisch und Blut
Vertraulichkeit.
»Du lässt es wie eine Beichte klingen«, sagte sie.
»Wessen Beichte?«
»Deine. Die ganze elende Geschichte. Als wenn du irgendwas falsch gemacht hättest. Als wenn du bei all dem ein Hauptdarsteller wärst und nicht bloß ein Komparse.« Sie wandte den Blick ab. »Es ist fast so, als hätte sie dich verführt - Lauren. Nicht in sexueller Hinsicht - du weißt, was ich meine. Ich sollte wohl nicht überrascht sein. Mit Verführen hat sie ihren Lebensunterhalt verdient.«
»Das sehe ich ganz anders.«
Sie stand auf, ging in die Küche, kam mit zwei Flaschen Wasser zurück und gab mir eine. Setzte sich genauso weit weg von mir wie zuvor.
»Was ist los?«, fragte ich.
»Du hast dieses Mädchen vor zehn Jahren zweimal gesehen, aber trotzdem hast du dich selbst davon überzeugt, dass du verpflichtet bist, jede Einzelheit ihres Lebens aufzuklären. Leute wie sie eignen sich nicht für Lösungen. Für sie gibt es immer Probleme.«
»Leute wie sie.«
»Ausgestoßene, gequälte Seelen - Patienten, nenn sie, wie du willst. Hast du mir nicht gesagt, eine Sache, die du hättest lernen müssen, um nicht ein giftiger Schwamm zu werden, wäre, wie man loslässt?«
»Das ist keine Frage von Loslassen -«
»Was dann, Alex?« Ihre Stimme war leise, aber die Schärfe war nicht zu überhören.
»Gibt es noch etwas, das dir Sorgen macht?«, fragte ich.
»Das«, sagte sie, »war ausgesprochen psychofritzig.«
»Tut mir Leid -«
»Dein Verstand ist eine feine Maschine, Alex. Ich bin noch nie einer ähnlichen begegnet. Du bist wie eine präzise eingestellte Uhr, immer am Ticken - unerbittlich. Aber manchmal denke ich, du benutzt die Gabe, die Gott dir geschenkt hat, um Gräben zu graben. Du erniedrigst dich ... diese Leute ...«
Ich streckte meine Hand nach ihr aus, und sie erlaubte mir, ihre Fingerspitzen zu berühren. Aber sie bewegte ihre Hand kein Stück, das mir erlaubt hätte, sie zu halten.
»Die Sache ist die«, sagte sie, »du setzt dich auf eine Spur, und du rennst einfach immer weiter. Die Leute in der Umgebung dieser Frau neigen dazu zu sterben, Alex, und du hast noch nicht mal die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass du in Gefahr sein könntest.«
»Die Leute, die gestorben sind, kannten sie gut -«
Sie seufzte und stand auf. »Hör zu, ich bin mit meiner Arbeit im Rückstand - wir sehen uns später.«
»Was ist mit Abendessen?«
»Kein Hunger.«
»Du bist nicht glücklich mit mir.«
»Im Gegenteil«, sagte sie. »Ich bin sehr glücklich mit dir. Mit uns. Das ist der Grund, warum ich es gerne sähe, wenn wir noch eine Weile am Leben bleiben.«
»Es besteht keine Gefahr. Das würde ich dir nicht noch mal antun.«
»Mir? Warum fängst du nicht an, an dich selbst zu denken? Überprüf deine Grenzen - was du reinlassen willst und was nicht.«
Sie beugte sich herab und küsste mich auf die Stirn. »Ich will nicht grausam sein, Baby, aber ich bin all dieser Mutmaßungen und unerfreulichen Dinge müde. Du hast getan, was du konntest. Das solltest du dir immer wieder sagen.«
Ich verbrachte den Abend allein, hörte Musik, ohne Harmonie in mich aufzunehmen, versuchte zu lesen - alles außer Psychologie - und wartete darauf, dass Robin ins Haus zurückkam. Als sie um elf noch nicht da war, ging ich ins Bett - früh für mich - und wachte um halb fünf wieder auf, unterdrückte den Impuls aufzuspringen; erschöpft und doch aufgeladen, wie ich war, benutzte ich jeden Entspannungstrick in meinem Repertoire, um wieder einzuschlafen. Ich ertrug die Anspannung weitere zwei Stunden, bis Robin die Augen aufschlug und ich so tat, als wäre ich bereit, den Tag zu begrüßen.
Sie lächelte mich an, verstrubbelte meine Haare, duschte allein, machte aber Kaffee für uns beide und setzte sich mit dem ersten Teil der Zeitung hin. Ob der Mord an Jane Abbot es in diese Ausgabe geschafft hatte, sagte sie nicht. Ich nahm den Lokalteil. Dort stand nichts.
Um acht machte sie sich wieder in ihr Atelier auf, und ich rannte in die Berge hoch, schneller als gewöhnlich, strapazierte meine Gelenke, versuchte Adrenalin auszuschwitzen. Ich hatte mir geschworen, nicht in die Zeitung zu sehen, aber als ich zurückkam, blätterte ich sie schnell durch und fand die Zusammenfassung von Jane Abbots Tod auf Seite 25. Fast genauso formuliert, wie ich es vorhergesagt hatte: seniler Ehemann, schockierte Nachbarn, häusliche Tragödie, Ermittlungen noch im Gange.
Ich beendete einige Gutachten fürs Gericht - zwei Fälle
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