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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Alex, ich weiß all das zu schätzen, was -«
    »Soll ich die Fotos wegschmeißen?«
    Pause. »Du hast klare Bilder vom Gesicht dieses Kerls?«
    »Klar genug. In doppelter Ausfertigung.«
    Er machte ein Geräusch - kein Seufzen, zu müde für ein Seufzen. »Ich komme heute Abend vorbei.«
     
    Das tat er nicht.

26
    Um zehn Uhr am nächsten Morgen war mein Telefon immer noch still.
    Entweder war meine Brooklyn-Pizza-Kameraarbeit im Vergleich zu einer neuen Spur verblasst, der Milo nachjagte, oder er hatte eine Nacht gut durchgeschlafen und beschlossen, die Schnappschüsse wären reine Zeitverschwendung. Dennoch sah es ihm nicht ähnlich, nicht anzurufen.
    Robin lächelte wieder, und wir hatten an diesem Morgen miteinander geschlafen - obwohl ich eine gewisse Distanz gespürt hatte. Wahrscheinlich Einbildung.
    Wenn du an dir zweifelst, martere deinen Körper. Ich zog Trainingsklamotten an, trat in einen kalten, nassen Morgen hinaus und kämpfte mich schwerfällig den Canyon hoch. Die Schuhe quietschten auf der immer noch betauten Vegetation und stolperten über das Patchwork zu meinen Füßen, das von schnell dahinziehenden Wolken erzeugt wurde.
    Als ich zurückkam, hatte das Haus einen leeren Widerhall, war still bis auf das schrille Jaulen der Kreissäge aus Robins Atelier. Ich zog mir einen Pulli, eine alte Jeans und schmuddelige Schuhe an, setzte mir eine Dodgers-Mütze auf den Kopf und ging.
    Die Luft war sogar noch kälter geworden, und die Sonne versteckte sich hinter einer großen, eisernen Untertasse von der gleichen rußigen Schattierung wie die gestrige Wolkenbank. Eine Windbö peitschte an mir vorbei, rüttelte an Bäumen und zupfte an Sträuchern. Die Erde roch nach Lehm und Eisen. Kein Winter in des Wortes eigentlicher Bedeutung, aber in L. A. lernt man, mit der Vorspiegelung falscher Tatsachen zu leben.
    An Tagen wie diesem war der Ozean immer noch wunderschön.
     
    Ich nahm den Sunset bis zum Highway an der Küste, wurde nirgendwo aufgehalten und brauste um halb eins an Tony Dukes Kupferkrake vorbei. Keine Wagen waren an der Straßenböschung geparkt, und alle mit Toren versehenen Anwesen machten einen abweisenden Eindruck. Ich fuhr weiter bis zur Paradise-Cove-Kreuzung und bog auf die mit Bodenschwellen versehene Asphaltstraße, die am Ramirez Canyon vorbei nach unten führt und an der Lichtung vor dem Strand endet, wo das Sand Dollar liegt. Als ich an dem Plastikschild des Restaurants vorbeifuhr, bemerkte ich ein getünchtes Sperrholzrechteck, das an einem Pfosten knapp zwei Meter vom Straßenrand entfernt hing und mit unbeholfenen roten Buchstaben bemalt war.
     
    Die Renovierung des Dollar geht weiter. Tut uns Leid, Leute. Bitte denkt an uns, wenn wir diesen Sommer wieder aufmachen.
     
    Ich holperte meines Wegs an den mit Oleander bepflanzten Böschungen vorbei, die den Wohnwagenplatz an der Nordseite der Bucht fast verbargen. Keine Kette war über die Asphaltstraße gezogen worden, und das halb zerrissene Transparent, das darauf hinwies, dass Parken am Strand zwanzig Dollar am Tag kostete, wenn man nicht im Restaurant aß, erschien an seinem normalen Platz, über der halbherzigen Ankündigung BOOGIE BOARDS, SCHNORCHEL UND KAJAKS ZU VERMIETEN. So weit, so gut.
    Im Westen der Spring Street bedeutet Renovierung für gewöhnlich Auslöschung. Der Dollar nahm den Weg aller Wahrzeichen von L. A., und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.
    Es war fast drei Jahre her, dass ich in einer Fensternische des Sand Dollar einen Kampf mit einem Fischer-Frühstück ausgetragen hatte. Zu der Zeit, als Robin und ich ein zugiges Strandhaus zehn Meilen die Küste hoch gemietet hatten, während wir auf den Wiederaufbau unseres niedergebrannten Hauses warteten. Dann verwickelten mich die Kindheitsalpträume einer Patientin in einen lange Zeit ungelösten Entführungs- und Mordfall, und als Opfer stellte sich eine Kellnerin im Dollar heraus. Die Fragen, die ich gestellt hatte, hatten sechs Monate großzügiger Trinkgelder außer Kraft gesetzt. Einige Zeit später war ich noch mal auf ein Frühstück vorbeigekommen, in der Hoffnung, alles sei vergessen. Das war es nicht, und ich ging nie wieder hin.
    Ich fuhr fünfzig Meter weiter, bis die Hütte, die als Wärterhäuschen für Paradise Cove fungiert, vor mir auftauchte. Die herabgelassene Schranke war eher symbolisch als funktional - ich hätte sie mit einer Hand hochheben und den Seville hindurchzwängen können. Ich fragte mich, ob es dazu kommen würde. Dann

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