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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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weißen Haarkranz um den Kopf am Rand meines Blickfelds herum. Sekunden später ertönte ein hohes Jaulen.
    »Es ist okay, Baby«, sagte Michelle. Der Hund wirbelte noch ein paar Mal, bevor er sich in ein bebendes Schweigen zurückzog.
    »Was ist das, ein haarloser Mexikaner?«, fragte Milo.
    »Als wenn's Ihnen nicht scheißegal wäre. Ein peruanischer Inca Orchid.« Ihre Stimme klang undeutlich, und ihr Atem roch stark nach Alkohol. Ein blauer Fleck verunzierte ihren Hals an der linken Seite.
    Milo zeigte auf den Fleck. »Ist jemand grob mit Ihnen umgesprungen?«
    »Nee«, sagte sie. »Nur ein bisschen rumgespielt. Ich bin müde, Mann - gehn Sie jemand anders auf den Wecker. Jedes Mal, wenn ihr Typen nichts zu tun habt, kommt ihr zu mir.«
    »Polizeischikane, hmm?«
    »Nazimethoden.«
    »Was für eine blöde Idee, hier seine Zeit zu verschwenden«, sagte Milo. »Man ist hier ja praktisch in einer Kirche.«
    Michelle rieb ihren Arm an der Vorderseite ihres Hausmantels. »Lasst mich einfach in Ruhe.«
    »Die Ramparts-Jungs besuchen Sie oft, hmm?«
    »Als ob Sie das nicht wüssten.«
    »Weiß ich tatsächlich nicht. Ich bin aus West-L.A.«
    »Dann haben Sie sich verlaufen.«
    »Hier geht es nicht um Sie, Michelle. Es geht um Lauren Teague.«
    Sie blinzelte rasch zweimal. »Was?«
    »West-L.A. - Morddezernat.« Er zeigte ihr seinen Ausweis. »Lauren Teague ist ermordet worden.« Noch eine Aufzählung der Details. Ich war noch nicht daran gewöhnt, und mein Magen verkrampfte sich.
    Michelle begann zu zittern. »Oh, Gott, oh, mein Gott - Sie machen mir nichts vor?«
    »Ich wünschte, es wäre so, Michelle. Können wir hereinkommen?«
    »Es sieht beschissen aus -«
    »Ich interessiere mich nicht für Inneneinrichtung. Ich möchte über Lauren reden.«
    »Ja, aber -«
    »Für Ihr Arzneischränkchen interessiere ich mich noch weniger, Michelle. Hier geht es um jemanden, der Lauren getötet hat -«
    Sie hörte nicht auf zu zittern. Sie griff mit ihrer rechten Hand nach dem leeren Ärmel und drückte ihn. »Es ist nicht - es ... Jemand ist bei mir in der Wohnung.«
    »Jemand, der nicht zuhören soll?«
    »Nein, es ist -« Sie warf einen Blick hinter sich. »Er kannte Lauren nicht.«
    »Solange er nicht rauskommt und schießt, kann er meinetwegen dableiben.«
    »Warten Sie«, sagte sie. »Ich will es ihm nur erklären.«
    »Sie würden nicht versuchen, die Fliege zu machen, Michelle?«
    »Klar, ich springe gleich aus dem Fenster - wenn einer von euch unten warten und mich auffangen will, bitte sehr.«
    »Was halten Sie von Folgendem?«, fragte Milo. »Sie sagen Ihrem Freund, dass er sich einmal kurz blicken lässt und dann wieder schlafen geht oder was er sonst gerade macht.«
    »Wie Sie wollen.« Sie machte ein paar Schritte rückwärts und blieb stehen. »Ist Lauren wirklich tot?«
    »So tot wie nur möglich, Michelle.«
    »Scheiße. Verdammt.« Die braunen Augen verschleierten sich. »Warten Sie.«
     
    Wir warteten an der Tür, und ein paar Augenblicke später tauchte ein Mann, der außer einer roten Turnhose nichts anhatte, von links auf und rieb sich das Zahnfleisch. Ungefähr fünfunddreißig, widerspenstige, schmutzig graue Haare, ein Ziegenbärtchen und schläfrige, eng stehende Augen, die Schultern von Tätowierungen verziert. Aknenarben auf der Brust und fibröse Narben auf beiden Armen. Er hielt die Hände hoch, daran gewöhnt, sich zu ergeben, und da- rauf vorbereitet, gefilzt zu werden. Michelle erschien hinter ihm und sagte: »Sie sind cool, Lance - geh wieder schlafen.«
    Lance sah Milo fragend an.
    »Angenehme Träume, Lance.«
    Der Mann ging zurück ins Schlafzimmer, und Milo betrat die Wohnung, machte einen Bogen um den Hundedreck und musterte aufmerksam die Umgebung. Ich trat in seine Fußstapfen und bemühte mich, mir die Schuhe nicht schmutzig zu machen.
    Der haarlose Hund hockte mit hervorquellenden Augen auf einem Klappstuhl. Die Küche war eine willkürlich geschaffene Lichtung mit Kochplatte, Minikühlschrank und einem schiefen Hängeschrank aus Sperrholz. Auf einer Arbeitsplatte stapelten sich leere Limodosen und Pappschachteln. Ein Ameisenstrom entsprang unter der Kochplatte und setzte sich die Wand hinauf fort. Zwei kleine Fenster waren abgedunkelt durch schmutzige Jalousien, und lateinamerikanische Musik drang durch den Fußboden herauf.
    Neben dem Stuhl des Hundes bestand das ganze Mobiliar aus einem zerschlissenen braunen Sofa, das mit weiteren leeren Kartons, zerknüllten Zigarettenpackungen,

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