Fleisch und Blut
waren fotografische Essays nackter Brüste, schmollender Lippen und williger Hüften nichts Neues. Kalender mit Pin-up-Girls gehörten seit Jahren zur festen Einrichtung von Tankstellen, und »Naturaufnahmen« hatten seit der Erfindung des Fotoapparats eine stabile Marktnische besetzt. Aber all das fand unter der Ladentheke statt und war angeblich für Typen in Trenchcoats und mit in die Stirn gezogenen Filzhüten gedacht - Sex als schmutzige Angelegenheit in bester amerikanischer Tradition. Marc Anthony Dukes revolutionärer Akt hatte darin bestanden, das Pornoblättchen mit dem Anschein der Ehrbarkeit zu versehen. Jetzt konnte der Vorstadt-Dad Titten und Ärsche am Kiosk an der Ecke kaufen und wurde nicht als Widerling, sondern als Mann mit Klasse betrachtet.
Mit seinem augenzwinkernden Lausebengel-Logo und seinen mit herrlichen Brüsten und frischen Gesichtern ausgestatteten Models war der Duke eine treibende Kraft beim Einreißen von Barrieren sexueller Zensur gewesen, und Tony Duke hatte eine ganze Reihe von Prozessen geführt. Aber seine Siege vor Gericht erwiesen sich letzten Endes als Niederlagen, die sich in Marktanteilen messen ließen, weil jede bedeutende Entscheidung sukzessive aufreizenderen Magazinen die Legitimität bescherte. In einer Welt, in der mittlerweile Hardcorepornos die Umsatzstatistik von Videoläden anführten, erschienen die retuschierten Empfindsamkeiten des Duke beinahe putzig. Wenn Tony Duke dieser Tage in die Zeitung kam, handelte es sich normalerweise um eine von ihm veranstaltete Spendenaktion für eine gerechte Sache.
Das alles und was ich sonst noch über ihn zu wissen glaubte, hatte ich den Zeitungen entnommen: Sohn kalifornischer Farmer verwandelte sich der Reihe nach in hungernden Buchhändler, erfolglosen Drehbuchschreiber in Hollywood, Autor eines Dutzends Science-Fiction-Romane, die man getrost vergessen konnte, und schließlich in den Kopf des gewagten Verlagsunternehmens, das ihm acht Hektar am Strand und die Sorten Spielzeug eingetragen hatte, von denen seine Leser nur träumen konnten. Aber die Zeitungen druckten, was man ihnen gab, und Duke beschäftigte ohne Zweifel eine ganze Schar von Publizisten.
Er musste inzwischen wie alt - siebzig sein?
Älterer Mann.
Soweit ich wusste, war er nie in irgendetwas Gewalttätiges verwickelt gewesen. Ganz im Gegenteil, er stand im Ruf, ein Mann zu sein, der die Frauen wirklich liebte. Vorjahren hatte ich mich in den letzten Teil eines Fernsehinterviews mit ihm eingezappt - ein biografischer Beitrag in einem Sender, der sich Illusionen über seine Bedeutung hingab. Duke hatte zwar einen leicht gebrechlichen, aber immer noch jungenhaften Eindruck gemacht. Ein kleiner, schmalbrüstiger, spitzbärtiger, lächerlich braun gebrannter Kobold mit einem schleppenden Tonfall, dem man gern lauschte, und freundlichen braunen Augen.
Kleines braunes Gesicht unter einem stahlgrauen Haarteil. Dein exzentrischer Lieblingsonkel auf Landurlaub nach seinem letzten Trip zu locales exotiques, übersprudelnd vor deftigen Anekdoten, anzüglichen Witzen und dem unausgesprochenen Versprechen, er könnte dich vielleicht, eines fernen Tages, mitnehmen.
Während ich zusah, wie die Steaks vor sich hinbrutzelten, gingen mir immer wieder dieselben Gedanken durch den Kopf. Über Marc Anthony Duke, Lauren Teague und Shawna Yeager.
Vor ein paar Jahren, als unser Haus wieder aufgebaut wurde, hatten Robin und ich ein Strandhaus im Westen Malibus gemietet. Im Lauf dieses Jahres musste ich Hunderte Male an Dukes Anwesen vorbeigeflitzt sein, ohne je darüber nachzudenken, was hinter diesen laubbedeckten Mauern vor sich ging. Ich hatte nur eine ganz schwache Erinnerung an eine große Grünfläche; Palmen und Kiefern, Böschungen voller Efeu, Geranien, Gummibäume. Das Tor, durch das Gretchen Stengel fahren durfte.
Tony Duke hatte ein Vermögen gemacht, indem er Barrieren niedergerissen hatte, aber er versteckte sich hinter hohen Mauern. Milo hatte Recht. Wenn Duke in den Fall verwickelt war, mussten die Karten völlig neu gemischt werden.
Ich machte einen Salat und Eistee, deckte den Tisch, lockte Spike mit einem Porterhouse Steak nach draußen und verriegelte die Hundetür. Robin kam nach Hause, als ich gerade alles fertig hatte. Sie sah erschöpft und blass aus, und ihre Haare hatten sich zur Hälfte aus dem Knoten gelöst. Trotzdem war sie eine schöne Frau, aber ich fragte mich, ob Tony Duke das bemerkt hätte.
»Das ist wundervoll«, sagte sie und gab
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