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Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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heraus, »nicht mehr. Falls Sie daran zweifeln, lesen Sie den Vertrag.« Sie versucht es mit einem Lächeln, allerdings ist lächeln eindeutig nicht ihre Stärke. »Die Frage ist: Wollen Sie sich organisieren oder nicht? Sie zahlen mir tausend Dollar pro Tag, grob überschlagen also pro Minute etwa zwei Dollar. Wollen Sie hier für zwei Dollar die Minute rumquatschen – oder wollen Sie, daß wir arbeiten?«
    Julian läßt den Kopf hängen. Sie hat recht, er weiß es. »Tut mir leid«, sagt er dann. »Es ist nur... ich kann nicht... ich meine, ich will etwas tun, irgendwas...«
    »Sie wollen was tun? Sie wollen uns wirklich helfen?«
    Mike und Fernando sind verschwunden, wuchten ihre Ladung die Treppe hinunter, und die kleine Asiatin widmet sich jetzt mit ihren ständig huschenden Händen seiner Science-fiction-Sammlung. Er zuckt die Achseln. »Sicher. Was soll ich machen?«
    Sie sieht auf die Uhr, nimmt Haltung an und fixiert ihn mit ihrem dunklen, unergründlichen Blick. »Sie können mit mir frühstücken gehen.«
    Susan Certaine bestellt sich Weizentoast, ohne Butter, und Kaffee, schwarz. Obwohl Julian halb verhungert ist, obwohl er sich wie ausgehöhlt fühlt, von der Kehle bis in die letzte gewundene Schlinge seines Darmtrakts, bestellt er das gleiche. Er frühstückt gern deftig – Spiegeleier mit drei Speckstreifen, Toast und süße Waffeln, Kaffee, Orangensaft, Joghurt mit Obst –, und zwar um so deftiger, je mehr er gestreßt ist oder Unangenehmes auf sich zukommen sieht. Aber so wie Susan Certaine ihm jetzt steif gegenübersitzt, die Lippen mißbilligend, ja angewidert geschürzt, ein Ausdruck asketischer Ablehnung von allem, wofür er steht, hat er einfach nicht den Mut, die Kellnerin darum zu bitten. Der kleine Frühstücksimbiß, zu dem er und Marsha in den letzten drei Jahren fast jeden Tag gegangen sind, war für sie nicht gut genug. Statt dessen mußte sie unbedingt quer durch die Stadt zu einem Café fahren, das sie kannte, obwohl er beim allerbesten Willen keinen großen Unterschied erkennen kann – die gleiche Speisekarte, der gleiche Kaffee, sogar die Kellnerinnen sehen gleich aus. Aber sie sind es nicht. Als ihm das klar wird, ist er kurzzeitig verwirrt.
    »Wissen Sie, Mr. Laxner, ich habe nachgedacht«, sagt Susan Certaine in die Leere, die durch das Entschwinden der Kellnerin entstanden ist. »Es wäre wirklich gut, wenn Sie zu uns kämen. Bis zum Wochenende, meine ich.«
    Zu ihnen kommen? Julian sieht sie fragend an, weil er überhaupt nicht weiß, wovon sie da redet; dabei dreht sich ihm der Magen um bei dem Gedanken, daß seine Heinleins und Asimovs nun in den Händen von Fremden sind, ganz zu schweigen von seinen Lehrbüchern und Erstdrucken, von der technischen Ausrüstung – wenn sie ihm auch nur ein einziges Objektiv zerkratzen, dann, dann wird er... doch hier endet sein Gedanke abrupt. Susan Certaine, immer noch im Griff schwarzgewandeter Steifheit, mustert ihn mit einer Miene, die er bei ihr noch nie gesehen hat: die Andeutung eines Lächelns, eine scheu gehobene Augenbraue. Sie ist jung – jünger als Marsha, viel jünger –, und diese Erkenntnis trifft ihn wie ein Schlag. Da teilt er die intimste Mahlzeit des Tages mit einer Frau, die er kaum kennt, einer sehr jungen Frau zudem. Er fühlt, wie ihn eine Welle der Kapitulation überschwemmt.
    »Wie kann ich Sie überzeugen?«
    »Es tut mir leid«, murmelt er und fingert an seiner Kaffeetasse herum, »aber ich glaube, ich kann Ihnen nicht folgen. Wovon wollen Sie mich überzeugen?«
    »Von unserem Kodependenten-Wohnheim. Für die Partner. Diejenigen, die es zulassen. Für Männer wie Sie, die ihren Frauen Materielles schenken statt Kinder, statt Liebe.«
    »Aber das stimmt doch gar nicht. Marsha ist körperlich außerstande, Kinder zu bekommen – und ich liebe sie durchaus, sehr sogar.«
    »Schnurzegal.« Sie winkt unwirsch ab. »Übrigens, denken Sie nur ja nicht, das wäre ein reiner Herrenclub – Sie würden sich wundern, wie oft es die Frauen in diesen Beziehungen sind, die die Sammelwut unterstützen. Auf jeden Fall brauchen Sie sowieso eine Bleibe bis zum Sonntag.«
    »Sie meinen, Sie wollen, daß ich... daß ich ausziehe? Aus meinem eigenen Haus?«
    Sie berührt seine Hand. »Finden Sie nicht, es wäre fairer Marsha gegenüber? Immerhin ist sie auch ausgezogen, oder? Übrigens sagte mir Dr. Hauskopf vorhin, daß sie eine ruhige Nacht hatte. Eine sehr ruhige.« Ein Seufzer. Ein Blick aus dem Fenster. »Also, was meinen

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