Fleischeslust - Erzaehlungen
Schlägereien, die Überfälle, die Drohungen und Kidnappings, Hunden und Pferden die Köpfe abschneiden, Katzen an Wände nageln... Ich sage Ihnen, Doktor, ich sage Ihnen: es nimmt einen ganz schön mit.«
Er wollte gerade weitersprechen, als ihn ein Geräusch aus dem Nebenzimmer erstarren ließ – ein Nichts, wegen des Windes kaum zu hören, ein leises Gurgeln, aber es genügte. In einem Tempo, das mich erstaunte, fuhr er hoch und hatte die Pistole in der Hand. Plötzlich hörte ich Crocifissa, einen abgehackten Schrei, dann flog die Tür auf, und da stand Bastiano C., in der einen Hand einen silbernen, stumpfnasigen Revolver, die andere vor den Bauch gepreßt.
Es war der längste Augenblick in meinem Leben. Eine ganze Stunde schien zu vergehen, obwohl es tatsächlich höchstens eine oder zwei Minuten dauerte. Hinter Bastiano erkannte ich die traurige, reglose Gestalt von Santos Bodyguard, dahingestreckt wie ein gestrandeter Seelöwe, eine Drahtschlinge in den massigen Wülsten seines Halses. Unter ihm, fast völlig verdeckt, lag leblos ein schattenhaftes Strichmännchen: Bastianos verbliebener Gorilla – wie sich herausstellte, hatte auch Don C. den Verlust eines Leibwächters im Kriegsgetümmel beklagen müssen. Mit schreckgeweiteten Augen, die geballte Faust vor den Mund gepreßt, saß Crocifissa starr an ihrem Tisch.
Und Bastiano – er stand in der Tür, tief vornübergebeugt vor Bauchkrämpfen, noch verfallener als vor drei Wochen, falls das überhaupt noch möglich war. Die Pistole zielte direkt auf Santo, der reglos am anderen Ende des Zimmers stand, nach Atem ringend wie ein Kutschpferd beim Erklimmen des Ätna. Auch Santos Pistole, ein Gerät vom Format einer kleineren Kanone, war unnachgiebig auf seinen Widersacher gerichtet. »Du Sohn einer Hure«, brachte Bastiano in seiner feuchten, blubbernden Sprechweise hervor. Er hatte keinerlei Fleisch mehr im Gesicht, nicht ein Gramm, und seine Augen wirkten wie zwei glitzernde Senkschrauben, die in den Kopf eingebohrt waren.
»Puttana!« fluchte Santo und wechselte zweimal die Farbe – von Pergamentweiß zu purpurnem pomodoro –, als ihm das Blut durch die verstopften Arterien schoß.
»Jetzt leg ich dich um«, krächzte Bastiano und griff sich dabei mit der Linken an die Stelle, wo sich die Geschwüre durch die Magenwand gefressen hatten und die zerstörten Gefäße nun langsam seine Bauchhöhle mit Blut füllten.
»Denkst du«, knurrte Santo, und das war das letzte, was er sagte, denn in diesem Augenblick, noch während er den gedunsenen Finger um den Abzug krümmte und abzudrücken versuchte, gab sein armes verfettetes Herz den Geist auf, und er starb vor meinen Augen an einer massiven Koronarthrombose.
Ich ging natürlich sofort zu ihm, wenn auch mein eigenes Herz raste, als würde es gleich platzen, doch ehe ich mich noch über ihn beugen konnte, lenkte mich ein Laut von Bastiano ab – ein zarter kleiner Seufzer, wie ihn ein von der Liebe überraschtes Schulmädchen ausstoßen mochte –, und als ich mich ratlos umsah, verdrehte er gerade die Augen, dann stürzte er der Länge nach auf das Linoleum. Obwohl ich alles tat, was in meiner Macht stand, konnte ich ihn nicht wieder zu sich bringen, und er starb noch in derselben Nacht in einem schwerbewachten Krankenzimmer im Ospedale Regionale.
Ich weiß nicht, was die Ursache war, und als Mann der Wissenschaft will ich auch gar nicht spekulieren, aber drei Tage danach setzte der Regen ein. Santuzza behauptete, es sei schlicht darum gegangen, die Götter zu besänftigen, Blut zu vergießen und ein paar Rechnungen mit dem Jenseits zu begleichen, aber die Bornierten und Unwissenden reden stets viel. In jedem Fall wohnte ein ansehnlicher Teil unseres Bezirks den beiden Begräbnissen bei, die am selben Tag und auf demselben Friedhof stattfanden, bei einem derartigen Dauerregen, als hätte man Himmel und Erde auf den Kopf gestellt. Familie und Gefolge des Don Bastiano C. blieben bedächtig auf Distanz zu jenen des Don Santo R., und so verlief das düstere Ereignis ohne jeden Zwischenfall. Zahlreich erschienen auch die Schnecken, sie bildeten lange, schlangenhafte glitschige Ketten, die die Grabsteine umschlangen und furchtlos die wogende See des wieder ergrünenden Grases befuhren. Der Dorfpriester intonierte unvergängliche Worte, die Witwen weinten, die Kinder kauerten sich unter den Schirmen zusammen, und so begruben wir beide Männer zwar nicht mit großem Pomp und Gepränge, aber doch mit einer
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