Fleischessünde (German Edition)
schaltete herunter, als sie an eine rote Ampel kam. Ihr erster Impuls war es, das Gas durchzudrücken und den Porsche auszufahren. Aber dann hielt sie sich doch zurück und an die Verkehrsregeln und wartete notgedrungen ab, bis es grün wurde. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, waren irgendwelche Verwicklungen mit der Polizei.
Während der gesamten Weiterfahrt, auf der sie den Weg zum See einschlug, behielt sie den Rückspiegel im Auge. Sie konnte nichts Verdächtiges entdecken, wusste aber auch, dass das längst nicht bedeutete, dass sie tatsächlich nicht verfolgt wurde, zumal sie wieder dieses eigenartige Kribbeln spürte, dass sie jedes Mal empfand, wenn sich die Härchen in ihrem Nacken aufstellten. Eine von Xaphans Bräuten hatte sie aus dem Blick verloren, als sie vom Parkplatz gefahren war. Und Calliope war davon überzeugt, dass die Feuerdämonen sich nicht kampflos ergeben würden, wenn man ihnen ihre Beute wegschnappte.
Unwillkürlich schaute sie neben sich auf den Nackten auf dem Beifahrersitz. „Du bist heißer begehrt denn je, Kuznetsov“, sagte sie halblaut.
Die Frage war nur: warum? Klar war natürlich, was sie selbst von ihm wollte. Unter anderem ging es um die drei toten Mädchen, die der Isis durch eine – wenn auch schwache – Blutlinie verbunden waren. Das Interesse des Reapers an dem Priester war ebenfalls schnell erklärt, denn seine Setnakhts waren Anhänger eines Sutekh-Kults, und von Roxy wusste sie von der Verwicklung der Setnakhts und speziell Kuznetsovs in die Ermordung des Sutekh-Sohns Lokan. Dass Malthus Krayl wissen wollte, wer seinen Bruder auf dem Gewissen hatte, war naheliegend. Daneben waren aber noch andere Figuren im Spiel, die dort eigentlich nicht hingehörten. Xaphan und seine schrecklichen Freundinnen etwa oder Asmodeus, der sich über seinen Handlanger Big Ralph einmischte. Etliche Teile passten nicht in dieses Puzzle.
Im Augenblick war all das jedoch zweitrangig. Jetzt ging es erst einmal darum, Kuznetsov zu den Oberen ihrer Garde zu bringen. Er würde den Matriarchinnen übergeben werden, und die würden ihm schon seine Geheimnisse entlocken.
Das war die beste Lösung, wenn auch nicht unbedingt die beste für Calliope selbst, denn sie hatte die Regeln gebrochen und würde dafür bezahlen müssen. Am Ende hatte sie zumindest die Genugtuung, dass sie ihre Mission – wie gut oder schlecht auch immer – erfüllt hatte.
Wenn sie ohne Aufenthalt durchfuhr, konnte sie ihr Ziel in anderthalb Tagen erreichen, vielleicht in zwei, wenn sie das Pech hatte, auf dem einspurigen Abschnitt des Highways Nr. 1 den Trucks hinterherzuckeln zu müssen. Eine Zwischenstation musste sie jedoch einlegen. Der Porsche war zu auffällig. Glücklicherweise war sie auch darauf vorbereitet.
Calliope bog scharf nach links in eine schmale Seitenstraße, die kaum eine Handbreit auf jeder Seite des Wagens Platz ließ, und von dort in eine Einbahnstraße, die in der Zufahrt zu einer Tiefgarage endete. Kuznetsov neben ihr begann leise zu stöhnen. Seine Lider zuckten. Er kam früh wieder zu sich, und wenn es so weit war, würde sie sich auch noch um ihn kümmern müssen. Ein paar Mittel standen ihr zur Verfügung. Es waren nicht viele, und keines war ganz perfekt. Vor allem drängte die Zeit. Sie war vor den Feuerdämonen und Malthus Krayl noch längst nicht in Sicherheit. Aber es half nichts. Sie musste das Risiko eingehen.
Die Tiefgarage war eine von der miesen Sorte. Sie war heruntergekommen, und die Überwachungskameras waren reine Attrappe. Das war genau der Grund, warum Calliope sie ausgewählt hatte. Sie zahlte die Parkplatzmiete monatlich in bar, und niemand stellte Fragen. Hier hatte sie für alle Fälle einen silbergrauen, vollgetankten SUV abgestellt. Sie musste Kuznetsov nur noch umladen, und dann ging es weiter, bevor die anderen auftauchten.
Sie parkte den Porsche in einer dunklen Ecke unweit ihres Geländewagens,drehte den Zündschlüssel und stieg aus. Dann ging sie auf die andere Seite des Wagens und riss die Beifahrertür auf. Kuznetsov hing in ihren Armen wie ein nasser Sack, als sie ihn aus dem Wagen zog. Seine Fersen schlugen auf den Boden, aber nicht so, wie sie es sollten, wenn er wirklich ein nasser Sack gewesen wäre. Etwas stimmte nicht.
Calliope taumelte zurück, als er mit beiden Fäusten nach ihren Kniescheiben schlug.
Er war schnell, aber sie war schneller. Der Schwung seiner Schläge ins Leere brachte ihn aus dem Gleichgewicht, und er landete auf
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