Fleischessünde (German Edition)
stimmt.“
„Und weil du Komplikationen gefürchtet hast.“
„Stimmt.“
„… und du lieber ungebunden bleibst.“
„Stimmt auch.“
Jetzt lachte er aus vollem Halse. Es war ein dunkler, warmer Ton, der ihr durch und durch ging und in ihr das Bedürfnis weckte, sich an ihn zu lehnen, um dieses Grollen in seiner Brust zu spüren.
„Das ist witzig. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass wir noch mal Gemeinsamkeiten bei uns entdecken. Ich halte auch nichts von festen Bindungen.“ Seine grauen Augen funkelten. „Das heißt … Bisher habe ich nichts davon gehalten. Ich will dich, Calliope. Und nicht nur für den Augenblick. Ich will etwas mehr von dir. Und frag mich nicht, wieso.“
Was wollte sie selbst eigentlich? Calliope hatte keine Antwort darauf. Was war das für ein Chaos. All das, worauf sie jahrzehntelang gebaut hatte, schien nicht mehr zu gelten. Die Isisgarde war ihr Ein und Alles gewesen. Dafür hatte sie gelebt. Hundertfünfzig Jahre war sie der festen Überzeugung gewesen, dass dieReaper ihre Familie auf dem Gewissen und ihr die Kindheit gestohlen hatten. Sie waren für sie das Feindbild schlechthin.
Und mit einem Mal sollte alles anders sein? Sie stand jetzt allein da. Vor einigen Wochen war es Dagan Krayl, ein Reaper, gewesen, der ihr das Leben gerettet hatte. Und jüngst war dasselbe noch einmal passiert, dieses Mal hatte Malthus Krayl eingegriffen, der nächste Reaper, dem sie ihr Leben verdankte. Zwei Lebensretter, beide aus dem Lager erklärter Feinde.
„Calli, es geht doch nicht gleich um die gesamte Zukunft. Wir leben im Augenblick. Aus Augenblicken wird dann eine Stunde, aus Stunden ein Tag, vielleicht aus Tagen ein Monat und so weiter. Schritt für Schritt.“
„Wie kommst du darauf?“
Er lächelte etwas gequält. „Das hört sich jetzt vielleicht bescheuert an, aber“, er machte eine abwehrende Handbewegung, „lass mich trotzdem ausreden. Ich habe früher einmal geliebt. Sie hieß Elena. Das liegt lange zurück und war in einer Zeit, in der ich noch nicht wusste, dass ich ein Nachkomme Sutekhs bin. Ich war einfach ein ganz normaler Sterblicher, der sich seines Lebens freute. Ich musste damals fort, und als ich wiederkam, war sie verschwunden. Ich wusste lange nicht, was ihr zugestoßen war. Zehn Jahre lang habe ich nach ihr gesucht. Dann habe ich herausgefunden, dass sie vergewaltigt und umgebracht worden war – keine Woche nachdem ich mich von ihr verabschiedet hatte.“
Ihr Gesichtsausdruck sagte alles.
Dankbar für ihr Mitgefühl, fuhr Malthus fort: „Ich habe um sie getrauert und sie entsetzlich vermisst. Aber ich hatte nicht vor, für den Rest meines Lebens Trübsal zu blasen. Und dennoch hat dieser Verlust mich geprägt.“ Er sah sie eine Weile schweigend an. „Ich bin nicht da gewesen, um sie zu beschützen. Und sie hat sich nicht selbst schützen können.“
Es war, als ob ein Stahlband ihr die Brust zuschnürte, und sie fürchtete, jeden Moment könnten ihr Atem oder ihr Herzschlag aussetzen. Wollte er damit sagen … „Ich kann mich selbstschützen“, sagte sie dann. Die Worte waren heraus, bevor ihr bewusst wurde, dass sie sie lieber zurückgehalten hätte.
Malthus’ Mundwinkel zuckte ein Stück nach oben. „Genau darauf wollte ich hinaus.“ Lange sahen sie einander in die Augen. „Später habe ich es dann ziemlich wild getrieben. Mit einer Frau im Bett, mit zweien, einmal sogar mit fünfen gleichzeitig. Wir hatten alle unseren Spaß – und mehr nicht. Sie haben sich nichts aus mir gemacht und ich mir nichts aus ihnen.“
Seine Worte lösten ein eigenartiges Gefühl in ihr aus.
„Mit Spaß hatte das bei mir nichts zu tun“, erklärte sie dann nach einer Weile. „Ich hatte gar keine andere Wahl, wenn ich überleben wollte. Da gab es nur die Alternative Blut oder Sex.“
„Und da du noch immer das Bild vor Augen hattest, wie der Dämon das Blut deines Vaters trinkt, hast du dich für den Sex entschieden.“
„Richtig. Rein körperlich, ohne irgendwelche Gefühle.“
Er streichelte ihr die Wange. „Mit mir brauchst du so eine Entscheidung nicht zu treffen. Du kannst von mir beides haben, Blut und Sex.“
Auf den ersten Blick war das verlockend. Wenn sie sich darauf einließe, könnte alles so einfach und unkompliziert sein.
Sie sah ihn an. Wie jedes Mal, wenn sie in diese Augen schaute, musste sie an Zinn und Asche denken. Ein wirklich schöner Mann. Der feste Mund, die gerade Nase, das entschlossene Kinn, durch dessen
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