Fleischessünde (German Edition)
Sie konnte es vielleicht hinauszögern, ihr Schicksal aber nicht abwenden. „Sie werden ihren Rat einberufen. Dort wird entschieden. Dass sie mich aus ihren Reihen verbannen, wäre noch das Geringste, was ich zu erwarten habe. Wahrscheinlicher ist, dass sie eine Abordnung schicken.“
Er presste die Lippen aufeinander. „Vermutlich nicht mit goldener Uhr und einem Dankschreiben der Geschäftsleitung.“
„Sicherlich nicht, nein.“
„Ich werde nicht zulassen, dass sie dir etwas tun.“
Das klang so absonderlich, dass Calliope unwillkürlich lachen musste. „Was kümmert dich denn, was mit mir geschieht?“ Sie verstummte für einen Moment. „Und was willst du dagegen unternehmen, Mal? Mich Tag und Nacht bewachen?“
„Endlich hast du Mal zu mir gesagt. Sehr gut.“ Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das ihm gleich darauf wieder in die Stirn fiel, und sagte entschlossen: „Ja, ich werde über dich wachen. Du kannst doch nicht einfach alles auf dich zukommen lassen, dich hinsetzen und ruhig abwarten, dass sie kommen.“
Sie rieb sich mit den Fingerspitzen die Schläfen. „Nein, natürlich nicht. Ich bin doch keine Anfängerin. Ich werde auf der Hut sein und merken, wenn sie kommen. Und ich werde ihnen, solange ich das schaffe, immer einen Schritt voraus sein.“ Sie hob die Schultern. „Aber letztendlich werden sie mich ausfindig machen, und dann heißt es kämpfen. Da ich gut darin bin, werde ich gewinnen. Aber irgendwann werden sie jemanden schicken, der mir überlegen ist. Das wird mich meine Freiheit kosten, vielleicht auch mein Leben.“
„Du sagst das so, als ob dir das nichts ausmacht.“ Malthus kam noch einen Schritt näher.
Sie sah ihn lange an, bevor sie zögernd und mit gesenkter Stimme entgegnete: „Und du sagst das so, als ob es dir etwas ausmacht.“
„Selbstverständlich macht es mir etwas aus.“ Er stand jetzt sodicht bei ihr, dass sie seine Körperwärme spürte. „Was glaubst du denn, warum ich mir die Mühe gemacht habe, dich in dem Verlies in dieser verdammten Bergfestung aufzustöbern? Weil ich nichts Besseres zu tun habe?“
„Weil du hinter Kuznetsov her warst, denke ich.“
„Und warum bin ich dann als Erstes zu dir gekommen?“
Darüber hatte sie auch schon nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass er keine andere Wahl gehabt hatte. So wie sie die Technik des Portals begriff, musste er vorher wissen, wo er es zu verlassen hatte, sei es, dass er den Ort kannte oder sich danach erkundigt hatte. Durch ihre Verbindung hatte er gesehen, was sie gesehen hatte – den Berg und seine Umgebung, ihre Zelle. Aber er konnte nicht wissen, wo sich Kuznetsov befand. Da war es nur logisch, dass er erst zu ihr kam, um mit ihrer Hilfe Kuznetsov aufzuspüren.
„Das ist Unsinn. Du kennst mich überhaupt nicht. Warum solltest du dich dafür interessieren, was mit mir passiert?“ Sie sah ihn mit eisigem Blick an. An diesem Blick hatte sie lange gearbeitet und wusste genau, wie er wirkte. Sie hatte in ihrem Leben gelernt, nichts von ihren Emotionen herauszulassen, selbst wenn es in ihr brodelte. So wie in diesem Augenblick.
Malthus strich ihr mit dem Daumen über die Lippen. „Alberner …“ Er fuhr ihr sacht über die Nase. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus. „… Kindskopf.“
Mehr brauchte es nicht, um die Fassade, hinter der sie sich versteckte, zum Einsturz zu bringen. Ihr Atem ging schneller, und allein dadurch schon verriet sie sich. „Was willst du?“, flüsterte sie.
Ein Lächeln huschte über seine Lippen. „Dich.“
„Wieso?“
„Das kann ich ums Verrecken nicht beantworten. Nenn es, wie du willst. Sagen wir mal, der Blitz hat bei mir eingeschlagen.“
„Was redest du da?“
„Du weißt schon, wovon ich spreche.“ Nach kurzem Schweigenfragte er: „Warum hast du dich in der Disco an mich rangemacht?“
„Ich hatte nicht gemerkt, dass du kein Mensch bist. Du hattest deine übernatürliche Ausstrahlung getarnt.“
Malthus nickte. „Und warum gerade ich?“
Sollte sie ihm etwas vormachen oder die Wahrheit sagen? „Weil du ein attraktiver Mann bist. Und weil ich gesehen habe, wie du dich bewegst. Da dachte ich, du könntest …“ Sie brach den Satz mittendrin ab. Sie hatte schon zu viel verraten.
Er lachte kurz auf. „Ja, ich könnte. Und warum bist du dann doch weggelaufen?“
„Das weißt du selbst.“
„Weil ich meine Tarnung aufgegeben habe und du gemerkt hast, dass ich besondere Kräfte habe?“
„Ja,
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