Fliedernächte: Roman (German Edition)
eingenickt sei und geträumt habe, meinte sie. Was ich fast vermute, weil Musik bislang nicht zu Lizzys Repertoire gehörte.«
»Vielleicht hat sie ihr Programm erweitert. Aber jetzt mach ich mich mal auf den Weg.«
Hope erhob sich ebenfalls und brachte sie zur Tür. Dort blieben sie kurz stehen und sahen den Männern auf der anderen Parkplatzseite bei der Arbeit zu.
»Als ich Tommy Montgomery zum ersten Mal sah, stand er mit bloßem Oberkörper hoch oben auf einer Leiter, und ich dachte bloß: O mein Gott.« Mit einem leisen Lachen griff sie sich ans Herz. »Was mein Ende und der Anfang eines völlig neuen Lebens war.«
»Ich wünschte, ich hätte ihn noch kennenlernen dürfen. Nach allem, was ich über ihn gehört habe, mochte ihn jeder.«
»Er war ein guter Mann, obwohl er wie alle anderen seine Fehler hatte. Mal machte er dich wahnsinnig, mal brachte er dich zum Lachen. Eigentlich hab ich ihn mir nie anders gewünscht.« Sie nahm Hope kurz in den Arm. »Falls Ryder es nicht schafft, dich zum Lachen zu bringen, gib ihm den Laufpass. Denn diesen Mangel gleicht selbst der beste Sex nicht aus. Jetzt sollte ich aber wirklich lieber verschwinden. Bevor ich dir weiter auf die Nerven geh, halte ich meinen Sohn kurz von der Arbeit ab.«
Hope sah ihr hinterher, als sie in ihren roten Turnschuhen über den Parkplatz lief und Ryder zuwinkte. Justine war einfach umwerfend.
Kurz darauf trafen neue Gäste ein und nahmen Hope derart in Beschlag, dass sie vorerst weder an lebende noch an tote Liebhaber dachte. Und auch nicht an suchende Geister. Sie führte die Neuankömmlinge herum, versorgte sie mit Erfrischungen und gab Hinweise auf Sehenswürdigkeiten, interessante Geschäfte und lohnende Restaurants in der Gegend. Dem von einem Tagesausflug zurückkehrenden Bürgerkriegspaar servierte sie eine Flasche Wein unter einem der Sonnenschirme im Hof und hörte sich ihre Erlebnisse an.
Aus Erfahrung wusste sie nämlich, dass die Gäste es zwar durchaus schätzten, wenn man sich unsichtbar machte wie Lizzy, nur eben nicht immer. Es gab Sachen, die sie gerne mitteilten.
Hope war froh, als Carolee von ihren Besorgungen zurückkehrte und ihr bei der Betreuung der Gäste half, obwohl sie eigentlich frei hatte.
»Ich bleib lieber noch«, meinte Justines Schwester. »Diese Frau, die das E&D gebucht hat, hält dich ja schon ganz allein auf Trab. Griechischen Joghurt wünscht die Dame. Es macht mir nichts aus, welchen zu besorgen, aber wenigstens hätte sie höflich danach fragen können.«
»Ich weiß, ich weiß. Die Frau ist eine fürchterliche Nervensäge.« Hope schüttete Knabbergebäck in eine Schale. »Jedenfalls gehört sie zu den Gästen, auf deren Abreise man sich freut. Es sei denn, sie bessert sich.«
»Typen wie sie kommen als Nervensägen auf die Welt. Sie hat einfach mit den Fingern geschnipst, als sie noch Kaffee haben wollte. Zum Glück sind die anderen Gäste wenigstens nett.«
»Fürs Erste haben wir den schlimmsten Ansturm hinter uns«, meinte Hope. »Fahr du jetzt nach Hause. Schließlich bist du morgen mit dem Frühstück dran.« Sie umarmte Carolee. »Keine Angst, ich komm schon zurecht.«
Sie drehte weiter ihre Runden, servierte Wein oder Oliven, füllte Schälchen mit Erdnüssen und Chips nach, wechselte hier ein paar Worte mit einem Gast und beantwortete dort die Fragen eines anderen. Gegen Abend fuhren die Nervensäge und ihr Mann zum Essen in ein Restaurant, während die restlichen Gäste es sich auf Anregung von Bürgerkriegs-Bob, wie Hope den Hobbyhistoriker für sich zu nennen pflegte, mit Pizza und Wein in der Lounge gemütlich machten.
Nachdem alle ausreichend versorgt waren, beschloss sie, selbst eine Kleinigkeit zu essen und dann weiter nach Billy zu forschen. Bevor sie sich zurückzog, ging sie noch kurz nach draußen, um benutztes Geschirr einzusammeln.
Die Luft war mild, das Licht wunderbar und alles herrlich ruhig. Hope nahm sich vor, einen der nächsten Abende, wenn nicht viele Gäste im Haus waren, hier draußen mit einem schönen Essen und einer Flasche Sekt zu genießen. Ganz allein. Warum sollte sie sich schließlich nicht mal selbst verwöhnen.
Plötzlich entdeckte sie Ryder. Genau in dem Moment, als er unter den Glyzinienbogen trat. »Ganz schön was los hier«, sagte er.
»Kannst du laut sagen. Wir haben nicht nur ein volles Haus, sondern auch ein paar recht umtriebige Gäste, die einen ins Schwitzen bringen. Und was ist mit dir? Warum treibst du dich noch in der Stadt
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