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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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schließlich alle Darwinisten, nicht wahr, meine Herren? Und das Überleben der Tüchtigsten heißt, dass man lernen muss, wie man zuschlägt.«
    »Ach, lassen Sie Darwin aus dem Spiel«, sagte Siedelman. »Ich habe nämlich etwas festgestellt: Wenn ein Nichtjude viel über Darwin redet, ist das ein sicheres Zeichen, dass er Juden hasst.«
    »Darwin war selbst Jude«, sagte Berg.
    »War er nicht«, widersprach Siedelman.
    Berg lachte. »Nein, war er nicht, aber man könnte auf den Gedanken kommen, wenn man den Talmud liest. Alle sieben Jahre hat HaSchem alle Tiere in andere Tiere verwandelt. Wussten Sie das, Seth? Wussten Sie, dass einst Jungen und Mädchen eins waren und jetzt zwei sind?« Sinner hatte nie davon gehört, aber er fand es interessant. Alle anderen hatten ihr Essen kaum angerührt, aber er hatte seinen Teller schon blankgeputzt und ließ jetzt das Messer um seinen Daumen kreisen. »Und im Zohar heißt es, dass Affen die Abkömmlinge sündiger Menschen sind. Wir haben es also zuerst entdeckt. Wie üblich.«
    »Moses war mit Sicherheit Darwinist«, stimmte Pearl zu. »Was wollte er denn anderes, als dass sein Stamm an die Spitze kommt? Dass seine Abkömmlinge die Welt besitzen sollten?«
    »Die Christen geraten so schnell in Panik«, sagte Berg. »Wenn sie Fossilien finden, die älter als zehntausend Jahre sind, müssen sie so tun, als würden sie nicht existieren. Wenn dagegen Juden so etwas finden, sehen sie es als Beweis an, dass es andere Welten vor unserer eigenen gegeben hat. Die Tora ist mit der Wissenschaft vereinbar.«
    »Wissen Sie, Rabbi, vor Darwin haben die Christen den teleologischen Gottesbeweis gehabt«, sagte Pearl. »Sie sagten: ›Sieh dir die schönen Schmetterlinge auf der Wiese an! Das kann nur das Werk des Herrn sein.‹ Der Hebräer sagte nur: ›Was zum Teufel ist eine Wiese?‹«
    Die Männer brachen in schallendes Gelächter aus. Frink lachte ein wenig nervös mit den anderen, denn er verstand nicht genau, worum es ging.
    »Wir haben immer in Städten gelebt, nachdem wir in der Wüste gelebt hatten«, fuhr Pearl fort. »Alles, was wir je sehen, ist vom Menschen gemacht. Den teleologischen Gottesbeweis hatten wir nie nötig. Wir brauchen ihn nicht für unseren Glauben. Es ist uns gleichgültig, dass er jetzt auf dem Abfallhaufen gelandet ist.«
    »Und der Mann, der diese Städte gemacht hat, das werden bald Sie sein, Balfour«, ergänzte Siedelman.
    »Da bin ich mir nicht sicher, Rabbi.«
    »Wie ich höre, sind Sie sehr erfolgreich, Mr.   Pearl«, sagte Kölmel.
    »Ich erzähle Balfour oft von Nicholas Hawksmoor«, sagte Berg. »Er hat Kirchen in London gebaut. Sie kennen doch sicher die Christ Church in Spitalfields?«
    »Die seh ich jeden Tag«, meinte Frink, froh, dass er etwas zur Unterhaltung beitragen konnte. »Hübsches altes Gemäuer.«
    »Ja, obwohl ich leider höre, dass sie inzwischen etwas heruntergekommen ist«, sagte Berg. »Nun, man sagt, Hawksmoor hat den Teufel angebetet. Es heißt, wenn man auf einer Karte Linien zwischen seinen Kirchen zieht, kommt ein Pentagramm heraus oder so etwas. Und ich sage immer zu Balfour: Sie müssen New Yorks Hawksmoor werden. Sie müssen Ihre Schnellstraßen und Ihre Parks so anlegen, dass sie die Kabbala beschwören – oder vielleicht den Sephiroth , den Lebensbaum –, und nur die Juden werden es verstehen. Wäre das nicht wunderbar?«
    »Im Moment habe ich genügend Schwierigkeiten, überhaupt etwas zu bewerkstelligen, Rabbi.«
    »Was genau ist Ihre Aufgabe, Sohn?«, fragte Frink.
    »Ich arbeite in der Stadtplanungskommission für New York City, Sir.«
    »Balfour wird in der Lower East Side aufräumen«, schaltete sich Siedelman ein.
    »Das ist zumindest mein Ziel«, erklärte Pearl.
    »Dort aufräumen?«, sagte Frink.
    »Nun, ich hoffe, dass wir die Slums und die Elendsviertel bald loswerden. Wir wollen die Leute in vernünftige moderne Siedlungen bringen, wo die Kinder nicht auf der Straße spielen müssen, wo niemand neben einem Schnapsladen oder einer Billardhalle leben muss und wo gute Familien mehr Raum und Privatsphäre haben.«
    »Das klingt hervorragend, Mr.   Pearl«, sagte Kölmel. »Aber wer zahlt das?«
    »Die Stadt.«
    »Bei allem Respekt, gibt es in dem Fall nicht eine Menge Männer, die dasselbe tun würden, ohne dass es von meinen Steuern bezahlt wird?«
    »Ach ja, immer die kostbaren Steuern, die beschützt werden müssen wie kleine Babys«, sagte Berg.
    »Wer soll es denn sonst tun?«, erwiderte Siedelman.

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