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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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Dollar, wenn Sie keine Freikarte bekommen«, antwortete Kölmel.
    »Ich denke, für zwei Dollar reicht es gerade noch.«
    »Wem gehört die?«, fragte Sinner. Er hielt eine Herrenarmbanduhr von Bulova mit einem schwarzen Armband in die Höhe. »Sie lag auf dem Boden.«
    »Oh, die gehört Balfour«, meinte Siedelman.
    »Warum hat er denn seine Uhr abgenommen?«, sagte Berg. »Oje! Ob wir ihn noch erwischen?«
    »Er ist bestimmt schon in der Untergrundbahn.«
    »Dann telefonieren wir. Vielleicht ist seine Frau zu Hause.«
    »Sie ist bei ihrer Mutter auf Long Island.«
    »Dann sein Dienstmädchen«, sagte Berg. Er nahm sein riesiges, in Leder gebundenes Adressbuch zur Hand, das seine Freunde manchmal »Das Buch des Lebens (Ausgabe für die Lower East Side)« nannten, obwohl die unzähligen zerknitterten Seiten größtenteils nicht mehr aktuell waren. Sinner beugte sich hinüber und sah zu, wie Bergs Finger über Paliakov, Papirny, Pasternak, Patsuk und Pazy zu Pearl hinunterglitt.
    Berg rief an, aber niemand hob ab. Er zuckte die Achseln. »Ich versuche es morgen noch einmal.«
    Sie sprachen noch eine Weile über das Boxen, und dann sagte Sinner »’tschuldigung« und stand auf. Kölmel sah Frink an. Als Sinner zuvor pinkeln gegangen war, hatte Kölmel vor der Toilettentür gewartet, nachdem er sich vergewissert hatte, dass das Fenster nicht groß genug war, um hinauszuklettern. Jetzt aber waren beide Männer gesättigt und träge, sodass vier oder fünf Minuten vergingen, bevor Frink aufstand, um nach Sinner zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt war der Junge fast schon auf dem East Broadway.
    Auf seinem Weg hinaus hatte er Kölmels Brieftasche aus dessen Mantel herausgezogen, der in Bergs Diele hing. Es waren zwölf Dollar darin. Er hatte auch immer noch die Armbanduhr, obwohl er die Chance für gering hielt, sie zu dieser Nachtzeit versetzen zu können.
    Es dauerte nicht lange, bis er einen Spirituosenladen fand. Sie hatten echten, aus London importierten Dry Gin, aber er war zu teuer, also kaufte er eine Flasche Bourbon und ein paar Bonbons. Draußen sah er drei Buchfinken an Zigarettenkippen herumpicken. Fraßen amerikanische Vögel etwa Asche? Er hielt ein Taxi an.
    »Wohin?«, fragte der Fahrer.
    »259   West 70   Street«, antwortete sein Fahrgast.
    Sinner war nicht die Art von Trinker, die eine seufzende, blinzelnde, stöhnende, glucksende Vorstellung gab, um zu zeigen, wie gut das erste Pint Bier nach einem langen Tag schmeckte, und er war ganz bestimmt nicht die Sorte Trinker, die in Schweiß ausbrach und zitterte, wenn es keinen Alkohol gab – und er betrachtete alle beide mit größter Verachtung. Aber trotzdem breitete sich ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht aus, als er von dem Bourbon trank.
    »West 70th.«
    »Ja. Ist der Times Square auf dem Weg?«
    »Wenn Sie wollen.«
    »Fahren Sie über den Times Square.«
    Das Licht auf dem Times Square sah aus wie das Licht, das aus jedem festen Objekt dieser Welt sickern würde, wenn es einem nur gelänge, irgendwie die Oberfläche wegzubekommen. Das Licht erstaunte Sinner ebenso wie die zahlreichen Menschen, die vor den Bars und Restaurants und Theatern herumschlenderten und deren Kleidung und Gesten ausgezeichnet ins Caravan gepasst hätten. Ein hagerer alter Mann ging mit seinem Kaninchen spazieren; als er die Straße überquerte, hob er es auf und trug es unter dem Arm; die lederne Leine baumelte von seinem Handgelenk. Sinner hatte gehört, dass hier tagsüber Suppenküchen auf den Ladeflächen alter Armeelastwagen betrieben wurden, aber selbst diese vorübergehende Düsternis konnte den Platz nicht verdunkeln. Das Taxi blieb für kurze Zeit im dichten Verkehr stecken, und Sinner entdeckte drei Typen in schicken Anzügen, die auf dem Bürgersteig aufgereiht standen und alle Passanten grüßten wie alte Freunde.
    »Was treiben die denn?«, fragte Sinner. »Sind das Zuhälter oder was?«
    »Reiseunternehmer«, korrigierte ihn der Taxifahrer. »Wenn Sie nach Los Angeles wollen, suchen die erst drei Leute, die auch dorthin wollen, und dann jemanden, der auf jeden Fall nach Los Angeles fährt. Dafür kriegen sie eine Provision. Kostet Sie nicht mehr als dreißig Dollar. Allerdings nur, wenn sich der Kerl, der fährt, nicht mit dem Geld und dem Gepäck von allen anderen aus dem Staub macht, während Sie in einer Cafeteria in Newark noch schnell einen Happen essen. Oder Schlimmeres! Ich habe von einer alten Dame gehört –«
    »Los Angeles?«, unterbrach

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