Fliegende Fetzen
gute Köchin, doch für Mumm gab es daran nichts auszusetzen, denn er war auch kein besonders guter Esser. Nachdem er sich ein Leben lang auf und manchmal auch von der Straße ernährt hatte, bevorzugte sein Magen kleine, knusprige und braune Dinge, die Nahrungsgruppe der Götter. Und bei Sybil konnte er sich darauf verlassen, daß sie die Pfanne immer zu lange auf dem Drachen ließ.
Sie musterte ihn aufmerksam, als er angebranntes Rührei aß und dabei ins Leere blickte. Sie verhielt sich wie eine Person, die ein tragbares Sicherheitsnetz bei sich hatte und einem Drahtseilakrobaten zusah.
Nach einer Weile nahm sich Mumm das Würstchen vor und fragte: »Haben wir Bücher übers Rittertum, Schatz?«
»Hunderte, Sam.«
»Gibt es auch eins, in dem steht, was es damit auf sich hat? Ich meine, was man als Ritter tun muß, zum Beispiel? Welche Verantwortung man trägt und so weiter?«
»Ich schätze, die meisten geben darüber Auskunft.«
»Gut. Ich glaube, ich lese ein wenig.« Mumm bohrte die Gabel in den Schinken, der mit einem angemessenen Knirschen splitterte.
Nach dem Essen begab er sich in die Bibliothek. Zwanzig Minuten später kehrte er zurück, um einen Stift und Papier zu holen.
Zehn Minuten danach brachte ihm Lady Sybil eine Tasse Kaffee. Mumm saß halb verborgen hinter einem großen Stapel Bücher und schien ganz in
Das Leben der Ritter
vertieft zu sein. Stumm verließ sie das Zimmer und suchte ihr Arbeitszimmer auf, um dort die Unterlagen der Drachenzucht auf den neuesten Stand zu bringen.
Eine Stunde später hörte sie, wie ihr Mann in den Flur trat.
Er summte leise, und sein verträumter Gesichtsausdruck wies darauf hin, daß ihm
die Idee
gekommen war, die nun den größten Teil seiner zerebralen Kapazität beanspruchte. Darüber hinaus offenbarte er wieder jene Aura zorniger Unschuld, die einen integralen Bestandteil seiner Mummhaftigkeit darstellte.
»Gehst du in die Stadt, Sam?«
»Ja. Und ich habe vor, gewissen Leuten ordentlich in den Hintern zu treten.«
»Oh,
gut.
Gib nur acht, daß du warm angezogen bist.«
Die Goriffs folgten Karotte stumm.
»Ich bedaure das mit deinem Lokal, Herr Goriff«, sagte Karotte.
Der Klatschianer schwankte unter der schweren Last, die er trug. »Wir können woanders ein neues einrichten«, erwiderte er.
»Wir behalten es im Auge, das verspreche ich dir«, meinte Karotte. »Und… du kannst zurückkehren, wenn alles vorbei ist.«
»Danke.«
Goriffs Sohn sagte etwas auf Klatschianisch, dem ein kurzer Familienstreit folgte.
»Ich verstehe eure Gefühle«, sagte Karotte und lief rot an. »Obwohl die Ausdrucksweise etwas… deftig ist.«
»Meinem Sohn tut es leid«, entgegnete Goriff sofort. »Er vergaß, daß du Klatschianisch sprichst…«
»Nein, es tut mir nicht leid!« widersprach der Junge. »Warum laufen wir weg? Wir
wohnen
hier! Ich bin
nie
in Klatsch gewesen!«
»Dann dürfte der dortige Aufenthalt für dich besonders interessant sein«, sagte Karotte. »Wie ich hörte, gibt es in Klatsch viele interessante…«
»Bist du
dumm
?« fragte Janil. Er schüttelte die Hand seines Vaters ab und wandte sich an Karotte. »Es ist mir gleich! Komm mir bloß nicht mit Unsinn in der Art von ›Der Mond geht über den Bergen der Sonne auf‹ und so. Das habe ich oft genug gehört. Ich bin
hier
zu Hause!«
»Nun, du solltest besser auf deine Eltern hören…«
»Warum? Mein Vater hat immerzu gearbeitet, und jetzt verjagt man ihn! Das ist nicht richtig! Wir sollten bleiben und verteidigen, was uns gehört!«
»Äh… es ist falsch, das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen…«
»Warum denn?«
»Dazu sind wir da…«
»Aber ihr Wächter laßt zu, daß alles immer ungerechter wird!«
Ein Schwall klatschianischer Worte kam aus Herrn Goriffs Mund.
»Mein Vater meint, daß ich mich entschuldigen muß«, sagte Janil verdrießlich. »Es tut mir leid.«
»Mir auch«, erwiderte Karotte.
Herr Goriff zuckte mit den Schultern, und zwar auf jene recht komplizierte Art, mit der Erwachsene auf Probleme reagieren, die Heranwachsende betreffen.
»Ihr kehrt zurück, da bin ich ganz sicher«, sagte Karotte.
»Wir werden sehen.«
Die Familie ging hinunter zum Kai und näherte sich dort einem wartenden klatschianischen Schiff. An der Reling standen Menschen, die aus der Stadt flohen, mit so vielen Dingen, wie sie tragen konnten. Sie wollten nicht warten, bis sie nur noch mit dem fliehen mußten, was sie am Leib trugen. Die Wächter empfingen feindselige
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