Fliegende Fetzen
dort bleibt.‹«
»Das ist dir sicher eine große Hilfe«, sagte Jenkins.
Mumm steckte das Buch ein.
»Es ist also ein Gott auf unserer Seite, Obergefreiter Besuch?«
»Kein Zweifel, Herr Kommandeur.«
»Aber vermutlich dürfen auch die Klatschianer mit göttlichem Beistand
rechnen, oder?«
»Das halte ich für sehr wahrscheinlich, Herr Kommandeur. Es steht
ein Gott auf jeder Seite.«
»Hoffen wir, daß sie sich gegenseitig ausgleichen.«
Das klatschianische Boot berührte die Wel en so sanft, daß man kaum
ein Platschen hörte. 71-Stunden-Ahmed stand an der Winde und hielt
sein Schwert bereit – deshalb ließen die Männer das Boot mit besonderer
Vorsicht zu Wasser.
»Du kannst den Hafen von Gebra ansteuern, wenn wir fort sind«,
wandte sich Ahmed an den Kapitän.
Der Kapitän zitterte. »Und was sol ich den Leuten sagen, Wali ?«
»Die Wahrheit – nach einer Weile. Der Garnisonskommandant ist ein
Mann mit schlechten Manieren und wird dich zunächst ein wenig foltern.
Spar dir die Wahrheit auf, bis du sie brauchst. Dann ist er zufrieden. Es
hilft dir sicher, wenn du betonst, ich hätte dich gezwungen.«
»Oh, das werde ich. Ich meine, ich werde… zu dieser Lüge greifen«,
fügte der Kapitän rasch hinzu.
Ahmed nickte, glitt an einem Seil hinab ins Boot und brach damit auf.
Der Kapitän und seine Mannschaft beobachteten, wie er durch die
Brandung ruderte.
Dies war kein hübscher, ruhiger Strand, sondern ein Küstenabschnitt,
der Schiffen immer wieder zum Verhängnis wurde. Alte Wrackteile lagen
zwischen den Felsen. Knochen, Treibholz und von der heißen Sonne
gebleichter Tang hatten sich an der Flutlinie angesammelt. Jenseits davon
erhoben sich die Dünen der Wüste. Selbst hier, noch auf dem Meer, be-
kam man den Sand zu spüren. Er brannte in den Augen und knirschte
zwischen den Zähnen.
»An diesem Ufer droht jäher Tod«, sagte der Erste Maat. Er sah über
die Reling und blinzelte immer wieder, als ihm Sand in die Augen geriet.
»Ja«, bestätigte der Kapitän. »Er hat das Boot gerade verlassen.«
Die Gestalt am Ufer zog eine zweite, liegende Gestalt aus dem Boot
und brachte sie aus der Reichweite der Wel en.
Der Maat hob seinen Bogen.
»Ich möchte ihn von hier aus töten, Herr. Du brauchst mir nur den Be-
fehl zu geben.«
»Wie sicher bist du dir? Du solltest besser völ ig sicher sein. Wenn du ihn verfehlst, bist du tot. Und wenn du ihn triffst, bist du ebenfal s tot.
Sieh nur dort oben.«
Hoch oben auf den fernen Dünen zeichneten sich Reiter dunkel vor
dem mit Sand gefül ten Himmel ab. Der Maat ließ den Bogen sinken.
»Woher wußten sie, daß wir hier sind?«
»Oh, sie beobachten das Meer«, sagte der Kapitän. »Über ein gutes
Schiffswrack freuen sich D’regs genauso wie andere Leute. Vielleicht
sogar noch mehr.«
Als sie sich von der Reling abwandten, sprang etwas vom Rumpf und
verschwand fast lautlos im Wasser.
Detritus versuchte, im Schatten zu bleiben, aber davon gab es nicht viel.
Die Wüste vor ihnen strahlte Hitze aus wie eine Lötlampe.
»Ich immer dümmer werden«, klagte er.
Der Ausguck rief etwas.
»Er meint, jemand klettert die Dünen hoch«, sagte Karotte. »Jemand,
der jemand anders trägt.«
»Äh… eine Frau?«
»Ich kenne Angua, Herr Kommandeur. Sie gehört nicht zum hilflosen
Typ. Sie steht nicht einfach da und schreit. Andere Leute verhalten sich
ihr gegenüber so.«
»Nun, wie du meinst…« Mumm wandte sich an Jenkins. »Wir geben
die Verfolgung des anderen Schiffes auf. Statt dessen setzen wir die
Fahrt in Richtung Küste fort.«
»Das gefällt mir ganz und gar nicht. Es ist eine verdammt gefährliche
Küste: Dort hat man den Wind immer gegen sich und außerdem einige
scheußliche Strömungen. So mancher unvorsichtige Seefahrer hat seine
Knochen an diesem Ufer zurückgelassen. Nein, wir bleiben in sicherer
Entfernung, und du kannst das Ruderboot… Ich meine, du könntest das
Ruderboot benutzen, wenn wir es nicht über Bord geworfen hätten. Na
schön, wir gehen vor Anker und… Oh, Verzeihung, der Anker gehörte
ja zu den schweren Gegenständen, die wir…«
»Wir fahren…, äh… schwimmen weiter«, sagte Mumm. »Zur Küste.«
»Bestimmt kommen wir alle ums Leben.«
»Ich schlage vor, du wählst das geringere von zwei Übeln.«
»Worin besteht das andere?«
Mumm zog sein Schwert.
»Aus mir.«
Das Boot quietschte durch die geheimnisvollen Tiefen des Meeres. Leo-
nard verbrachte viel Zeit
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