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Fliegende Fetzen

Fliegende Fetzen

Titel: Fliegende Fetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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stören.
    Erwartungsvol e Stille herrschte, als tausend und mehr Personen den
    Atem anhielten.
    »Was macht er jetzt?« fragte Karotte.
    »Kannst du’s nicht sehen?« erwiderte Angua.
    »Ich halte mir die Augen zu. Ach, der arme Mann…«
    »Er… er bläst Rauchringe…«
    »Typisch für ihn, die erste Zigarre des Tages…«
    »Und jetzt geht er weiter. Und jetzt wirft er den Schlagstock hoch und
    fängt ihn wieder auf. Genau das macht er auch mit seinem Schwert,
    wenn er nachdenklich ist… Er scheint recht glücklich zu sein…«
    »Er sol te den Moment des Glücks genießen, denn ich fürchte, er dau-
    ert nicht lange«, sagte Karotte.
    Dann erhob sich ein Murmeln. Die Prozession hatte hinter Mumm an-
    gehalten. Einige der leichter zu beeindruckenden Leute, die nicht wuß-
    ten, wie sie sich verhalten sol ten – und jene, die den recht guten Sherry der Unsichtbaren Universität zu ausgiebig probiert hatten –, suchten in
    ihren Taschen nach Gegenständen, die sich in die Höhe werfen und auf-
    fangen ließen. Immerhin handelte es sich um eine traditionelle Zeremonie.
    Wenn man auf gewisse Dinge verzichten wol te, nur weil man sie für
    lächerlich hielt, hätte man ebensogut nach Hause gehen können.
    »Er ist müde, daran liegt’s«, sagte Karotte. »Seit Tagen beaufsichtigt er
    al es. Während der Nacht- und der Tagschicht. Du weißt ja, daß er die Zügel gern fest in der Hand hält.«
    »Wollen wir hoffen, daß ihm der Patrizier weiterhin die Chance dazu
    gibt.«
    »Oh, Seine Exzellenz würde auf keinen Fall… Ich meine, das wäre
    doch völlig ausgeschlossen, oder?«
    Gelächter erklang. Mumm hatte damit begonnen, den Schlagstock mit
    der einen Hand hochzuwerfen und mit der anderen aufzufangen.
    »Er kann das Schwert dreimal in der Luft drehen lassen und es dann
    wieder am Heft fangen…«
    Mumm drehte den Kopf. Er sah nach oben. Der Schlagstock fiel aufs
    Kopfsteinpflaster und rollte in eine Pfütze, ohne daß ihm der Komman-
    deur Beachtung schenkte.
    Dann lief Mumm los.
    Karotte sah ihm nach und versuchte zu erkennen, was seine Aufmerk-
    samkeit geweckt hatte.
    »Auf dem Vorwerk«, sagte er. »Das Fenster dort oben… Steht dort
    nicht jemand? Entschuldigung, Entschuldigung, bitte um Verzeihung,
    Entschuldigung…« Er bahnte sich einen Weg durch die Menge.
    Mumm war bereits zu einer kleinen Gestalt in der Ferne geschrumpft.
    Sein roter Umhang wehte wie eine Fahne hinter ihm.
    »Na und?« fragte Angua. »Viele Leute beobachten die Parade von gu-
    ten Aussichtspunkten. Was ist so besonders daran?«
    »Dort oben sollte niemand sein!« Karotte lief los, als sich ihm keine
    Hindernisse in Form von Publikum mehr in den Weg stel ten. »Weil die
    Fenster dort vernagelt sind!«
    Angua sah sich um. Al e Gesichter waren dem Straßentheater zuge-
    wandt, und ein Karren stand in der Nähe. Sie seufzte, trat hinter den
    Wagen und setzte dabei einen Gesichtsausdruck mißtrauischer Unbe-
    kümmertheit auf. Ein Keuchen erklang, gefolgt von einem leisen, organi-
    schen Geräusch, einem leisen Knurren und dem Klappern zu Boden
    fallender Rüstungsteile.

    Mumm wußte nicht, warum er lief. Ein sechster Sinn veranlaßte ihn da-
    zu. Sein Gehirn hatte aus dem Äther den Hinweis erhalten, daß etwas
    Schlimmes passieren würde. Doch es blieb nicht genug Zeit, um nach
    einer rationalen Erklärung zu suchen, und deshalb übernahm das Hirn
    einfach die Kontrol e übers Rückgrat, ohne Zeit mit irgendwelchen be-
    wußten Gedanken zu vergeuden.
    Niemand konnte aufs Vorwerk gelangen. Damals, als Ankh-Morpork
    ein angreifendes Heer noch nicht für einen vielversprechenden Wirt-
    schaftsfaktor gehalten hatte, war das Vorwerk ein befestigter Zugang zur
    Stadt gewesen. Einige Bestandteile wurden noch benutzt, doch die
    Hauptmasse war eine sechs oder sieben Etagen hohe Ruine, ohne Trep-
    pen, denen ein vernünftiger Mensch Vertrauen schenken würde. Jahre-
    lang war das Vorwerk als inoffizielle Nachschubquel e für Mauerwerk
    benutzt worden. In windigen Nächten lösten sich hier und dort Steine.
    Selbst die Wasserspeier mieden das Gebäude.
    Mumm merkte, wie sich das Geräusch der Menge hinter ihm in Ge-
    schrei verwandelte. Er drehte sich nicht um. Was auch immer dort ge-
    schah: Karotte wurde bestimmt damit fertig.
    Etwas überholte ihn. Der Schemen sah wie ein Wolf aus, zu dessen
    Vorfahren klatschianische Jagdhunde mit langem Fel gehörten. Es war
    eins jener anmutigen Geschöpfe, die nur aus Schnauze und Haaren zu
    bestehen

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