Fliegende Fetzen
Packt jetzt einige Sachen zusammen
und begleitet Detritus. Und gib mir die Armbrust.«
Goriff reichte sie dem Kommandeur und schien erleichtert zu sein. Es
handelte sich um ein typisches Model Samstagabend-Spezial, das sich
durch schlechte Qualität und Unzuverlässigkeit auszeichnete. Wenn man
sie abfeuerte, war der einzige sichere Platz direkt dahinter, und selbst
dort ging man ein Risiko ein. Niemand hatte ihren Eigentümer darauf
hingewiesen, daß er sie besser nicht mit gespannter Sehne unter dem
Tresen eines Ladens aufbewahrte, in dem hohe Luftfeuchtigkeit herrsch-
te und ein dauernder Regen aus Fett niederging. Die Sehne hatte den
größten Teil ihrer Spannkraft eingebüßt. Wenn man mit dieser Armbrust
jemanden verletzen wol te, mußte man sie ihm auf den Kopf schlagen.
Mumm wartete, bis die Familie den Raum verlassen hatte, und sah sich
dann noch einmal um. Das Zimmer war nicht sehr groß. In der Küche
hinterm Tresen kochte etwas Scharfes in einem großen Topf. Nachdem
sich der Kommandeur mehrmals die Finger verbrannt hatte, schaffte er
es, den Inhalt des Topfes aufs Feuer zu gießen und es dadurch zu lö-
schen. Anschließend stel te er den Topf unter die Pumpe, damit die Kru-
sten darin einweichen konnten – er erinnerte sich vage daran, daß er
seine Mutter bei dieser Tätigkeit beobachtet hatte.
Danach sicherte er die Fenster, so gut es ging, ging nach draußen und
schloß die Tür. Ein diskret auffäl iges Messingschild von der Diebesgilde
über dem Eingang wies darauf hin, daß Herr Goriff seine jährliche Ge-
bühr pünktlich bezahlt hatte.* Doch die Welt kannte viele weniger förm-
liche Gefahren, weshalb Mumm ein Stück Kreide hervorholte und an die
Tür schrieb:
UNTER DEM SCHUTZ DER WACHE
Er überlegte kurz und fügte als Unterschrift hinzu:
FwbL DetriTus
Für die weniger an Recht und Ordnung interessierten Bewohner der
Stadt hatte die majestätische Erhabenheit des Gesetzes weitaus weniger
Bedeutung als die Furcht vor Detritus.
Die Aufruhrakte! Lieber Himmel, wo hatte er die nur aufgetrieben?
Vermutlich steckte Karotte dahinter. Soweit Mumm sich zurückerinnern
konnte, war sie nie benutzt worden. Eigentlich kein Wunder, wenn man
bedachte, was sie anrichten konnte. Selbst Vetinari würde zögern, davon
* Das bedeutete, daß es bei ihm keine offiziellen Einbrüche geben würde. In Ankh-Morpork hatte man sehr direkte Vorstellungen vom Konzept der Versi-cherung. Es war nicht nur eine Redewendung, wenn man davon sprach, den
Zwischenhändler auszuschalten.
Gebrauch zu machen. Derzeit waren es nur Worte, weiter nichts. Den
Göttern sei Dank für das Analphabetentum der Trolle…
Als Mumm zurücktrat, um sein Werk zu betrachten, bemerkte er das
Glühen am Himmel über dem Parkweg. Fast gleichzeitig hörte er das
Klappern eisenbeschlagener Stiefelsohlen auf dem Kopfsteinpflaster.
»Oh, hal o, Kleinpo«, sagte er. »Was ist denn jetzt? Laß mich raten –
jemand hat die klatschianische Botschaft in Brand gesetzt.«
»Ja, Herr Kommandeur«, erwiderte die Zwergin. Unsicher blieb sie
mitten in der Gasse stehen und wirkte sehr besorgt.
»Nun?« fragte Mumm.
»Äh, du hast gerade gesagt…«
Ein flaues Gefühl keimte in Mumms Magengrube, als er sich an die Neigung der Zwerge erinnerte, alles wörtlich zu verstehen.
»Die klatschianische Botschaft steht tatsächlich in Flammen?«
»Ja, Herr Kommandeur!«
Frau Geifer öffnete die Tür einen Spalt.
»Ja?«
»Ich bin ein Freund von…« Karotte zögerte und fragte sich, ob Fred
seinen wahren Namen genannt hatte. »Äh… ein großer, dicker Mann,
dessen Anzug nicht richtig paßt…«
»Meinst du den Burschen, der mit dem Sexualirren herumläuft?«
»Wie bitte?«
»Ein dürrer kleiner Narr, wie ein Clown gekleidet?«
»Sie sagten, du hättest ein freies Zimmer«, meinte Karotte verzweifelt.
»Es ist an die beiden Burschen vermietet«, erwiderte Frau Geifer und
versuchte, die Tür zu schließen.
»Sie sagten auch, ich könnte…«
»Keine Untermieter!«
»Sie sagten, ich solle dir zwei Dollar bezahlen!«
Der Druck auf die Tür ließ ein wenig nach.
»Zusätzlich zu dem Geld, das ich bereits bekommen habe?« fragte Frau
Geifer.
»Ja.«
»Nun…« Sie musterte Karotte von Kopf bis Fuß und schniefte. »Na
schön. Zu welcher Schicht gehörst du?«
»Bitte?«
»Du bist ein Wächter, nicht wahr?«
»Äh…« Karotte zögerte erneut und hob dann die Stimme. »Nein, ich
bin kein Wächter.
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