Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
ist das ein Satz, den man vielleicht zu einem Mädchen sagt, aber doch nicht unter Freunden.
Während er sich noch wundert, nimmt Mick ihn am Arm und schiebt ihn durch die Tür ins Innere des Tattooladens.
Das Männlein hinter dem Tresen hat mehr Tattoos auf seinem ausgemergelten Körper als die Bildzeitung Fotos. Seine Zähne sind gelb vom Rauchen und an seinen Fingern prangen dicke Silberringe. Daniel hat nicht gewusst, dass es solche Typen tatsächlich gibt.
„Und? Was wollt ihr?“ Der Typ macht sich nicht die Mühe, freundlich zu sein.
„Mein Freund hier möchte ein Piercing“, sagt Mick und schiebt Daniel nach vorne. „Er hat hier eine Bestätigung von seiner Mutter. Können wir das gleich machen, oder brauchen wir einen Termin?“
Der Typ mustert Daniel von oben nach unten und zieht kräftig die Nase hoch.
„Zeit ist schon. Wo soll’s denn hin?“
„Weiß ich noch nicht“, sagt Daniel. „Aber wir fangen sowieso mit meinem Freund hier an. Ich habe nämlich Angst vor Nadeln und deshalb muss er seines zuerst bekommen. Ich trau mich sonst nicht.“
„Ihr seid vielleicht Clowns“, sagt der Typ nicht sonderlich amüsiert. Mick macht ein hilfloses Gesicht und zieht Daniel am Ärmel, aber Daniel schiebt ihn unbeeindruckt nach vorne.
„Unterlippe“, sagt er. „Hat er schon entschieden.“
„Achtzehn?“, fragt der Typ.
„Nein. Aber er hat hier einen Schrieb von seinen Eltern.“
Er hebt Micks Hand mit dem Zettel darin hoch. Mick ist plötzlich ganz blass im Gesicht. Schweißtropfen bilden sich auf seiner Stirn.
„Kann er auch selber sprechen?“ Der Typ wirft einen flüchtigen Blick auf das Papier.
„Schon“, krächzt Mick.
„Fünfundzwanzig Euro“, sagt der Typ. „Vorauskasse.“
Gehorsam kramt Mick ein paar Scheine aus der Tasche und zählt die Summe ab.
Der Typ nickt und steckt das Geld ein.
„Dann kommt mal mit nach hinten.“
Der Raum hinter dem Laden ähnelt einer Arztpraxis: weiße Hängeschränke, ein Waschbecken, Desinfektionsutensilien auf einer Arbeitsplatte. Ein Stuhl in der Mitte, der aussieht wie ein ausgemusterter Zahnarztstuhl. Mick nimmt Platz und schlingt die Hände umeinander. Der tätowierte Typ trifft seine Vorbereitungen und Daniel sieht interessiert zu.
„Fertig?“, sagt der Typ schließlich zu Mick. Er hat sich dünne Gummihandschuhe übergestreift und hält eine große, gebogene Nadel bereit.
Mick nickt kreideweiß und starrt auf die Nadel wie in die Mündung einer Pistole.
Daniel denkt, dass es nun an der Zeit wäre, darüber nachzudenken, ob Mick tatsächlich an der Hand gehalten werden will, oder ob das nur eine bildliche Umschreibung gewesen ist.
Mick stöhnt auf und verkriecht sich in dem Zahnarztstuhl.
„Ganz ruhig“, sagt der tätowierte Typ. „Das ist nur ein Filzstift. Ich markiere die Stelle, okay?“
Mick nickt zögernd.
„Du musst das nicht machen, weißt du“, sagt Daniel. „Man kann auch prima ohne Piercing leben.“
„Nnnnn“, macht Mick, der nicht sprechen kann, weil der Tätowierer ihm an der Unterlippe herumwerkelt. Daniel positioniert sich neben dem Stuhl und dann erübrigt sich weiteres Nachdenken, denn Mick packt seine Hand und presst ihm die Finger zusammen, dass Daniel seine eigenen Knochen knacken hört.
„So?“ Der Tätowierer hält Mick einen kleinen Handspiegel vors Gesicht. Mick nickt, immer noch sprachlos.
„Tut auch gar nicht weh“, sagt der Tätowierer und greift zur Nadel.
Das Ganze dauert nur Sekunden. Daniel sieht nicht hin. Mick stöhnt erstickt und klammert sich an Daniels Hand, dann ist es auch schon vorbei und der Tätowierer zieht sich mit einem Schnalzen die Gummihandschuhe von den Fingern.
„Oh“, sagt Mick. „Uff. Das war’s?“
„Ja“, sagt der Tätowierer.
Mick lässt Daniels Hand los und greift zum Spiegel.
Das Piercing sitzt nicht mittig, sondern etwas zur Seite versetzt: ein schmaler Ring, der Micks Unterlippe umspannt und eine kleine, silberne Kugel trägt. Mick starrt gebannt in den Spiegel und betastet vorsichtig seinen neuen Körperschmuck, Daniel betrachtet Mick, wie er so völlig in den eigenen Anblick versunken ist und spürt wieder einmal das merkwürdige Ziehen in seinem Inneren.
Es scheint, als wäre Mick alles, was Daniel sein will. Mick ist cool, selbstsicher, spontan, hat keine Geldsorgen, ist gut in der Schule und so angepasst wie eine Katze, die man gegen den Strich streichelt.
„Und du?“, fragt der Tätowierer.
„Ähm …“ Daniel betastet irritiert
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