Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
Frau überfordert ist. Zumindest das kann Daniel nachfühlen.
Als der romantische Teil der Handlung beginnt, spürt Daniel Bettys Kopf an seiner Schulter. Er schluckt Angst. Es ist wie beim Zahnarzt. Lange genug geht es glatt, aber irgendwann kommt der Moment, in dem er zu bohren beginnt. Man hat es von Anfang an gewusst und man kann dem nicht entgehen.
Vorsichtig dreht Daniel den Kopf und stößt im Dunklen mit seiner Nase gegen Bettys. Er spürt, wie sie lächelt. Seine Handflächen werden nass.
Er denkt darüber nach, wie es wäre, wenn Mick ihm so nahe wäre. Bestimmt hätte Daniel seine Hand schon in Micks Jackenärmel gesteckt, um die weichen Härchen auf seinem Arm zu ertasten. Er würde noch ein bisschen näher rücken und dann käme wieder diese eigenartige Sogwirkung, durch die sich die ganze Welt zu einer winzigen Blase zusammenzieht, in der nichts existiert als Mick, seine Wimpern, seine Augen, die in manchem Licht so dunkel sind, dass man Pupille und Iris nicht mehr unterscheiden kann, die kleine Narbe auf der Stirn, die weichen Locken, die kleine Kerbe in der Unterlippe, das kratzige Gefühl am Kinn, wenn Mick mal wieder versucht, etwas zu züchten, das als Drei-Tage-Bart durchgeht.
Und Daniel würde ihn küssen wollen, so dringend wie nichts anderes, würde ihn umschlingen und in Besitz nehmen wollen, wäre süchtig nach seinem Geruch und Geschmack wie ein Junkie nach dem nächsten Schuss.
So soll es sich anfühlen, nicht anders.
„Entschuldige“, murmelt Daniel hilflos. „Ich muss … ich kann nicht …“
Er springt auf, arbeitet sich durch ein Gestrüpp aus Beinen zum Gang vor und rennt nach draußen.
Im Foyer ist es still. Alle Vorstellungen laufen, der Popcornverkäufer hat nichts zu tun und lehnt müßig hinter dem Tresen. Daniel holt tief Luft und tastet vorsichtshalber nach seinem Asthmaspray.
Die schwere Trenntür hinter ihm klappt und dann ist Betty da.
„Was ist denn?“, fragt sie besorgt. „Bist du krank?“
„Nein.“ Daniel versucht, nicht an unpassendem Gelächter zu ersticken. „Schwul. Ich bin nicht krank. Ich bin schwul.“
Der Popcornverkäufer lehnt sich interessiert nach vorne.
„Warum lädst du mich dann ins Kino ein?“, fragt Betty. „Du weißt doch, dass ich nicht lesbisch bin.“
„Ja“, sagt Daniel und sein schlechtes Gewissen bläht sich zu einem Monster auf und verschlingt ihn. „Ich weiß. Es tut mir Leid. Ich wollte nur … ich war unglücklich und du … bist wirklich nett, ich mag dich gerne und ich dachte, ich könnte vielleicht noch einmal versuchen, hetero zu sein.“
„Ich hab’s gewusst“, sagt Betty. „Nach deinem Artikel in der Schülerzeitung war es mir klar. Nur … als du mich dann eingeladen hast … ich dachte, vielleicht hätte ich mich geirrt. Ich habe gehofft , ich hätte mich geirrt.“
„Ja.“
„Du bist ein Arschloch.“
„Da könntest du recht haben.“
„Du kannst doch nicht mit meinen Gefühlen spielen, zu Versuchszwecken!“
„Es tut mir Leid. Es tut mir Leid. Ich hätte ehrlich zu dir sein müssen.“
„Ja. Genau.“
Sie sehen sich an. Bettys Gesicht ist blass und verletzt. Daniel denkt, dass sie vielleicht heute Abend in ihr Kissen heulen wird, wegen ihm, so wie er wegen Mick.
„Tu das nicht“, sagt er hilflos. „Sei nicht traurig wegen mir. Ich bin ein ganz komischer Typ. Ich bin es nicht wert.“
„Du könntest ein cooler Typ sein“, sagt Betty. „Wenn du jemals die Größe hast, zu dir zu stehen.“
„Und was machen wir jetzt?“
Betty wischt sich mit beiden Händen übers Gesicht.
„Ich brauche Abstand. Ich will den Abend nicht mit dir verbringen. Ich hole meine Jacke von drinnen und wenn ich wieder rauskomme, bist du weg. Und ruf mich nicht an, ja?“
„Okay“, sagt Daniel unglücklich.
Betty dreht sich auf dem Absatz um und verschwindet durch die Trenntür.
Der Popcornverkäufer lümmelt sich entspannt am Tresen und schaut rüber.
„Was?!“, faucht Daniel. „Ich bin heute Abend frei. Willst du mitkommen?“
Der Popcornverkäufer macht einen erschrockenen Schritt rückwärts. Daniel stürmt nach draußen.
Zum Glück ist dies nicht das einzige Kino der Stadt.
***
Schule ist ein bisschen mühsam in diesen Tagen. Er trifft auf Betty, unvermeidlich, sie schweigt ihn an, rauscht an ihm vorbei. Auf Mick trifft er nicht: Mick hat offenbar aufgehört, zur Schule zu gehen. Daniel fragt herum, bei Mitschülern und Bandmitgliedern, aber niemand weiß, wo er steckt. Nur Jo
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