Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
sitzen.
„So schlimm war es gar nicht“, sagt er zu seiner Mutter, die mit einer Schüssel Gummibärchen vor dem Aquarium sitzt und Fisch-TV guckt, wie sie es nennt. „Ich meine, wann hat man jemals schon jemanden für sich alleine? Schließlich bin ich immer mit Lilli befreundet gewesen.“
„Ich bin sicher, du siehst den Unterschied, sobald du dich wieder beruhigt hast“, sagt Rita.
„Ich bin ruhig. Ich habe nur einfach den größten Fehler meines Lebens gemacht.“
„Darf ich dich selbst zitieren? Ich bin ja so froh, dass ich diesen Zirkus beendet habe . Das war am Dienstag, glaube ich.“
„Am Dienstag war ich nicht ganz bei Trost.“
Rita lächelt und seufzt.
„Es ist wirklich schwer, gleichzeitig verliebt und vernünftig zu sein. Nur manchmal muss man die Notbremse ziehen. Das hast du getan und das war richtig so.“
„Ich will ihn aber wiederhaben!“
„Das kommt dir nur so vor. Du vergisst, wie unglücklich du oft gewesen bist.“
„Jetzt bin ich auch unglücklich. Nur ohne das Glück dazwischen.“
„Irgendwann kommt ein anderer, der dich glücklich macht – und das ganz ohne das Unglück dazwischen.“
„Ich will aber keinen anderen!“
„Ich weiß. Das legt sich.“
„Ich will nicht, dass es sich legt!“
„Schon gut. Möchtest du einstweilen einen Film mit mir ansehen? Wir können den Laptop rüberholen.“
Daniel zögert.
„Was denn für einen?“
Rita hält ihm die DVD-Hülle hin.
„Ein kanadischer Film über einen schwulen Jugendlichen“, sagt sie. „Hab ich geliehen. Soll echt gut sein. Und witzig.“
„Warum siehst du dir solche Filme an?“
„Na, ich muss mich doch informieren. Ich hatte nie zuvor einen schwulen Sohn. Und nachdem er nicht so irrsinnig viel darüber spricht …“
„Ist schon gut. Leg die Scheibe rein. Wo ist der Laptop?“
„In der Küche.“
„Warte. Ich hole ihn.“
Er kann sich gar nicht erinnern, wann er zuletzt mit seiner Mutter einen Film angesehen hat. Aber es fühlt sich gut an, auch wenn die Bildqualität des Laptops mit der des verkauften Fernsehers nicht mithalten kann. Es fühlt sich an, als würden wenigstens manche Dinge sich nie ändern und das ist ein tröstlicher Gedanke.
11. REFRAIN
Und dann ist es Samstag, der Tag des Festivals, der Tag, an dem die Band ihren großen Auftritt haben wird, der Tag, an dem Daniel Mick wiedersehen wird, zum ersten Mal seit dem „Badeunfall“, wie Lilli den missglückten Ausflug mittlerweile nennt.
Schon das Frühstücksbrötchen schmeckt wie Holzwolle.
Wenn er nur wüsste, wie er sich Mick gegenüber verhalten soll.
Wenn er nur überhaupt erst mal wüsste, was er fühlen soll.
Alles war einigermaßen stabil, so lange er sich in einem Mickfreien Vakuum bewegt hat. Aber schon eine SMS reicht, um ihn aus den Schuhen zu hauen.
Die SMS zu schreiben, war keine gute Idee.
Rechnet man diese Erfahrung proportional hoch, kann ein Treffen mit Mick sich nur zum größten vorstellbaren Desaster entwickeln.
Daniel fragt sich, wie dämlich man sein kann: Die Garantie auf nächtelange Selbstzerfleischung in Kauf zu nehmen, nur um den anderen einmal zu sehen, einmal die Erinnerung aufzufrischen, irgendeine unsinnige Hoffnung zu hegen, für eine Minute.
Als würde man freiwillig vom Zehnmeterbrett springen, obwohl man nicht schwimmen kann. Nur für diesen kleinen Augenblick, in dem es sich anfühlt, als würde man fliegen.
Aber natürlich wird er es tun, er wird springen, es gibt nicht die geringste Hoffnung auf Vernunft.
Es reicht schon die billige, blöde kleine Ausrede, er hätte schließlich einen Artikel für die Schülerzeitung zu schreiben.
„Gute Idee“, sagt seine Mutter. „Wenn du den morgen gleich schreibst, kannst du ihn am Montag noch bei dem Morgenpost-Wettbewerb einreichen.“
„Ich weiß nicht, ob ich da eine Chance habe“, sagt Daniel.
„Man hat immer eine Chance, so lange man es will.“ Rita malt mit ihrem Brötchen einen Punkt in die Luft.
Außer manchmal, denkt Daniel.
Beim Anziehen zögert er kurz, streift sich aber schließlich doch das Spellbound-Shirt über den Kopf. Es ist schwarz und trägt den Schriftzug der Band quer über der Brust. Er hat eigentlich keine Lust, den ganzen Tag für die Band Werbung zu laufen, aber dann irgendwie doch und auch hier reicht eine billige Ausrede: Es ist neu und frisch gewaschen, im Gegensatz zu den meisten anderen Stücken seiner Garderobe.
Jeans und Turnschuhe, ein weiterer Blick in den Spiegel, der nur neue
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