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Flieh, so schnell es geht!

Flieh, so schnell es geht!

Titel: Flieh, so schnell es geht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Bowler
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überläuft es heiß, Angst steigt in mir auf. Paddy antwortet.
    Â»Das kleine Kind habe ich Riff überlassen. Er hat es mitgenommen.«
    Ich zucke zusammen. Das darf nicht wahr sein. Das muss jemand anderes sein.
    Â»Und das Mädchen?«, fragt der Kerl.
    Ich mag gar nicht hinhören, aber es ist schon zu spät. Paddy antwortet sogleich. Und seine Worte schneiden mir ins Herz.
    Â»Ich hab sie umgebracht.«
    Ich fühle den Schmerz wie einen Messerstich.
    Ich hätte nicht gedacht, dass mir so etwas passieren könnte. Ich dachte, mit solchen Gefühlen ist es vorbei. Aber nun spüre ich es wieder. Jaz und Becky waren in mein Leben getreten und jetzt ist das kleine Mädchen entführt worden und Becky ist tot. Und schuld daran bin ich. Was hab ich nur getan?
    Die Männer sind aufgebracht.
    Â»Herrgott noch mal, Paddy!«
    Â»Das war dumm von dir!«
    Â»Warum hast du das getan?«
    Â»War notwendig«, sagt er. »Sie hätte sonst alles ausgeplaudert.«
    Â»Aber es hieß doch, wir sollten uns nicht die Finger schmutzig machen und uns nur den Jungen schnappen.«
    Â»Es ging aber nicht anders«, sagt Paddy. »Klar?«
    Â»Genauso wie im Bungalow, da ging es auch nicht anders. Und nun hast du zwei auf dem Kerbholz.«
    Die anderen Männer raunen untereinander.
    Â»Ich hab die Leiche versteckt«, sagt Paddy. »Das wird eine Weile dauern, bis sie sie finden.«
    Die anderen verstummen, als müssten sie darüber nachdenken.
    Ich will hier unbedingt weg. Ich muss herausfinden, was der Typ getan hat. Das wird nicht leicht sein, hier gibt es viele Stellen, wo er sie versteckt haben kann. Gräben, Gebüsch, Müllkippen. Aber versuchen muss ich es.
    Bloß kann ich nicht einfach weglaufen. Still halten, unsichtbar bleiben, nachdenken, sonst kriegen sie mich. Ich halte es nicht aus, Bigeyes, es zerreißt mich. Da liege ich nur ein paar Handbreit von den Kerlen entfernt, die mich kassieren wollen, und von dem Typ, der Becky umgebracht hat. Ich versuche nachzudenken und ruhig zu bleiben, obwohl ich unter Strom stehe.
    Atme ruhig durch.
    Ich atme so langsam und ruhig wie möglich, aber der Atem geht stoßweise und keuchend, weil ich gegen die Tränen ankämpfe. Einer der Männer dreht sich um und schaut zu mir.
    Ich sehe seine Augen überdeutlich, sie glänzen gefährlich. Ob er mich sieht? Ich schließe die Augen, damit er den Glanz in der Dunkelheit nicht sieht. Kein Geräusch von drüben, alles ist still.
    Was machen die Männer jetzt? Was macht der Typ? Bewegt hat er sich nicht, ich hab nichts gehört, ich spüre nicht, dass er näher kommt. Am liebsten würde ich die Augen aufmachen, aber ich darf nicht. Ich drücke sie noch fester zu, falls er etwas bemerkt haben sollte. Ich spüre die Tränen, die sich anstauen.
    Ich öffne die Augen. Der Typ schaut immer noch herüber. Er muss mich bemerkt haben, oder? Dann dreht er sich um, zündet sich eine Zigarette an und sagt: »Gehen wir.«
    Die anderen rühren sich nicht. Ich beobachte sie durch einen Tränenschleier. Ich verbeiße mir den Schmerz und präge mir jedes Gesicht ein.
    Denn das ist der Augenblick, wo sich alles ändert, wo ich aufhöre, ihre Beute zu sein.
    Der stämmige Kerl steht auf und schaut auf den Typ mit der Zigarette.
    Â»Lenny hat recht«, sagt er. »Wir finden den Jungen nicht, wenn wir weiter hier herumsitzen.«
    Lenny – ein weiterer Name. Ich präge mir Gesicht und Namen ein. Wie rasch der Hass zurückgekommen ist. Ich dachte, ich wäre darüber hinweg, doch das war ein Irrtum.
    Alle stehen auf. Paddy leiht sich Lennys Zigarette, zündet sich selbst eine an der Glut an und gibt die Zigarette zurück. Dann schaut er die anderen in der Runde an.
    Â»Los«, sagt er. Die anderen klettern aus dem Graben und gehen in Richtung Fahrweg. Kurz darauf sind sie fort. Ich klettere über den Zaun und laufe über das Hockeyfeld.
    Ich flenne immer noch, Bigeyes, ich renne mit Tränen in den Augen. Ich sollte die Lage checken, falls die Typen mich reingelegt haben, die ganze Zeit über wussten, dass ich in der Nähe war und nun umkehren und mich schnappen wollen – aber ich kann es nicht.
    Ich denke nicht einmal daran. Ich laufe blindlings weiter, schluchzend und flennend vor Schmerz, Furcht und Wut. Ich habe das erste Hockeyfeld hinter mir, überquere das zweite, stolpere durch die Dunkelheit

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