Flieh, so schnell es geht!
Erinnerungen steigen auf, Bilder aus der Vergangenheit, die ich nicht sehen möchte. Doch es hilft nichts, sie überrollen mich wie Wellen von Schmerz, sie verbinden sich mit Tränen, Wut, Hass und dem Gefühl der Schuld.
Das mehr als alles andere.
Ich starre auf die Rücken der Typen vor mir und ich gehe innerlich ein. Die Bilder aus der Vergangenheit setzen mir nicht so zu wie die Bilder von Jaz und Becky. Die eine wird entführt, die andere liegt irgendwo tot. Ihr Körper ist jetzt schon kalt und feucht und erstarrt langsam.
Wegen mir. Ich hab sie sterben lassen.
Ich drücke das Messer noch fester.
Schau mich nicht so an, Bigeyes. Schau mich überhaupt nicht an. Du verstehst das nicht. Es geht um Rache, aber ich muss es auf meine Art machen.
Die Männer gehen langsamer. Der stämmige Kerl bildet das Schlusslicht, er ist müde. Kräftig ist er, aber nicht trainiert. Kein Wunder, bei den vielen Pfunden. Die anderen drehen sich nach ihm um. Er ist jetzt ganz stehen geblieben und holt Atem.
Alle halten an. Paddy zündet sich eine weitere Zigarette an. Sie murmeln etwas.
Stopp.
Einer schaut den Fahrweg hinauf. Drück dich eng an den Zaun, kauer dich hin. Eine Taschenlampe scheint auf, ihr Lichtschein wandert umher. Ich rühre mich nicht. Wenn sie mich finden, muss ich sofort losspurten.
Der Fahrweg macht das Türmen nicht leicht. Selbst mit meinem Vorsprung haben sie mich bald. Besser, ich klettere über den Zaun und verdrücke mich Richtung Eisenbahnlinie. Dort kann ich sie leichter abhängen.
Aber sie haben mich nicht gesehen. Die Taschenlampe geht wieder aus und die Typen setzen sich wieder in Gang.
Ich schleiche ihnen nach, immer vorsichtig am Zaun entlang. Ich bleibe im Schatten, den Blick auf ihre Rücken geheftet. Wer wird sich als Erster umdrehen? Doch sie denken gar nicht daran, gehen einfach weiter, sogar der stämmige Kerl, obwohl seine Lunge pfeift.
Jetzt heiÃt es aufpassen. Da kommen noch mehr Typen in Sicht. Ein paar hängen gleich da vorn am Zaun rum. Der Sechsertrupp hat sie gar nicht beachtet, aber wenn einer von ihnen mich anquatscht, kann das gefährlich werden, denn das könnten die anderen hören.
Halt, lass die anderen weiterziehen. So, jetzt beweg dich wieder. Gut, dass ich gewartet habe. Der erste Penner labert sofort los.
»Na, haste dich verlaufen, Kleiner?«
Ich antworte nicht, gehe einfach weiter. Ich bin schon fast an ihm vorbei, da springt sein Kumpel auf.
Ich hab das Messer drauÃen, ehe er Piep sagen kann. Es blitzt auf, zischt um sein Gesicht herum. Er weicht einen Schritt zurück, den Blick auf die Klinge geheftet.
Ich halte ihn mit dem Messer in Schach. Sein Kumpel hat sich schon leise verdrückt. SchlieÃlich zuckt er die Schultern und sagt: »Schon gut«, und setzt sich wieder an den Zaun.
Ich klappe das Messer zu, stecke es in die Tasche und gehe weiter.
Noch ist die Gefahr nicht vorüber. Beide sind Weicheier, sie trauen sich nichts. Aber sie könnten Ãrger machen, wenn sie laut losschimpfen. Das könnte die Männer auf mich aufmerksam machen.
Aber beide bleiben still.
Die Männer sind jetzt ein ganzes Stück voraus. Ich muss Abstand halten, darf sie nicht aus den Augen verlieren, muss wissen, welche Richtung sie einschlagen. Noch gehen sie geradeaus, aber gleich kommen sie an die Weggabelung, wo es in die City und in die AuÃenbezirke geht.
Dorthin wollte ich Bex und Jaz bringen. Mein Fluchtplan. War nicht schlecht, könnte ihn immer noch benutzen. Aber es lohnt nicht, daran zu denken.
Nichts ist mehr wie vorher. Vergangenheit und Gegenwart überschneiden sich.
Noch mehr Penner tauchen auf, aber sie sind noch harmloser als die ersten beiden. Alle liegen am Rand des Fahrwegs, schlafen oder sind bekifft. Wahrscheinlich merken sie nicht mal, dass ich hier bin.
Ich gehe an ihnen vorüber, immer die Männer vor mir im Blick. Eine Viertelmeile und noch eine, eine ganze Meile, ohne den Blick von ihnen zu lassen. Warum fahren sie nicht die Strecke? Sie hätten doch den Weg nicht zu Fuà gehen brauchen. Aber ich glaube, ich verstehe warum.
Keine Scheinwerfer, keine Warnung. Jemand muss uns gesehen und ihnen einen Hinweis gegeben haben â wahrscheinlich Riff â, und daraufhin sind sie uns entgegengefahren, sind ausgeschwärmt, anfangs noch mit Taschenlampen, und haben über Handy Kontakt gehalten.
Für den Fall, dass die Bullen aufkreuzten, wie
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