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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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während sie auf wackligen Beinen den Weg hinaufging und ihre Gedanken zu ordnen versuchte. Wie von einem Windstoß erfaßt, stoben sie auseinander, sobald sie die Hand auf den Türknauf legte.
    Die Tür öffnete sich. Ihr Vater stand vor ihr. Er hatte eine dunkelblaue Hose und ein blau-rot kariertes Hemd an. Sein breites Gesicht verriet nichts, sein Blick spiegelte weder Überraschung noch Neugier wider. Er wich zurück, um sie eintreten zu lassen. Wortlos trat Bonnie über die Schwelle. Die Tür schloß sich hinter ihr wie ein Gefängnistor.
    »Wer ist denn da, Steve?« Adeline Lonergan kam aus der Küche. Sie trug eine altmodische Schürze über einem leuchtendgelben Kleid. »Oh!« Sie blieb stehen, als sie Bonnie sah. »Du bist es, Bonnie. Ich hätte dich beinahe nicht erkannt. Was hast du denn mit deinem Haar gemacht?«
    »Entschuldige, Adeline, aber könntest du mich vielleicht ein paar Minuten mit meinem Vater alleinlassen? Bitte?« fragte Bonnie, die einen Moment lang wie geblendet war von den weißen Wänden.
    »Wir haben nichts zu besprechen, was Adeline nicht hören könnte«, erklärte ihr Vater, die Hände auf der Brust gefaltet. Wie Herr Saubermann persönlich, dachte Bonnie, die versuchte, ihn auf eine handliche Größe zurückzustutzen.
    »Laß nur, Steve. Ich habe sowieso zu tun. Sprich ruhig mit deiner Tochter. Ich bin in der Küche, wenn du etwas brauchst.«
    Vater und Tochter sagten nichts.
    »Am besten geht ihr ins Wohnzimmer«, schlug Adeline vor. »Das ist gemütlicher als hier draußen. Möchte einer von euch etwas zu trinken?« fuhr sie fort, als weder Bonnie noch ihr Vater sich von der Stelle rührten.
    Steve Lonergan schüttelte den Kopf und ging langsam ins Wohnzimmer.
    »Nein, danke«, sagte Bonnie und folgte ihm. Warum nur war sie hierhergekommen? Was hoffte sie zu erreichen? Was, in Gottes Namen, wollte sie überhaupt sagen?
    »Ich höre, du hast deinen Bruder gesehen«, bemerkte ihr Vater, als er sich in der Mitte des Zimmers umdrehte und sie ansah.
    Bonnie wandte sich ab, tat so, als musterte sie die Einrichtung des Raums, aber das viele Grün, Weiß und Gelb verwirrten sie, und widerstrebend richtete sie ihren Blick auf ihren Vater.
    »Ja, er ist ganz überraschend vorbeigekommen.« Unaufgefordert, hätte sie beinahe hinzugefügt, tat es aber nicht.
    »Er hat euch mit seiner berühmten Tomatensoße beglückt, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Und? Hat sie geschmeckt?«
    »Ja, sie war gut«, antwortete Bonnie. Nur daß mir seitdem dauernd speiübel ist, fügte sie unausgesprochen hinzu.
    »Er hat mir erzählt, daß meine Enkelin ein richtiger Wonneproppen ist.«
    »Ja, das ist sie.«
    »Du hast nicht zufällig ein Bild von ihr dabei?« fragte ihr Vater und sah dann zum Fenster hinaus, als hätte er nichts gesagt.
    Bonnie zögerte einen Moment, voll Widerstreben, ihren Vater auch nur so weit an ihrem Leben teilhaben zu lassen. »Doch«, sagte sie dann, »ich habe zwei Fotos einstecken.« Sie kramte in ihrer beigefarbenen Handtasche und entnahm ihr ein kleines, rotes Lederetui, das sie ihrem Vater hinhielt. Er nahm es sofort, zog seine Lesebrille aus der Brusttasche seines Hemds und setzte sie auf.
    »Auf dem Bild links war sie gerade vier Monate alt«, erklärte Bonnie. »Das rechte wurde letztes Jahr aufgenommen. Sie hat sich seitdem ziemlich verändert. Ihr Haar ist länger. Und ihr Gesicht ist ein bißchen schmäler geworden.«
    »Sie sieht aus wie ihre Mutter«, sagte Steve Lonergan.
    Bonnie steckte die Fotografien rasch wieder ein. »Die meisten Leute finden, daß sie mehr Ähnlichkeit mit Rod hat.«
    »Und wie geht es deinem Mann?«
    »Gut. Er ist im Augenblick in Florida bei einer Konferenz.«
    »Und inzwischen mußt du auf seine Kinder aufpassen, wie?«
    Bonnie blickte zu Boden. Ihre braunen Schuhe waren tief in den weichen, blaßgrünen Teppich eingesunken. Wie Sumpf, dachte sie und fragte sich, wie lange es ihr gelingen würde, den Kopf über Wasser zu halten.
    »Aber ich bin nicht hergekommen, um über Rod zu sprechen«, sagte sie.
    »Warum bist du gekommen?«
    »Das weiß ich selbst nicht genau«, bekannte sie nach einer kleinen Pause. »Ich hatte das Gefühl, es gibt ein paar Dinge, die einmal ausgesprochen werden müssen.«
    »Dann spricht sie aus«, forderte ihr Vater sie auf.
    »So einfach ist das nicht.«
    »Du hattest über drei Jahre Zeit zur Vorbereitung.«
    Bonnie holte tief Atem, setzte zum Sprechen an, konnte nicht.
    »Was tust du hier, Bonnie?« fragte ihr Vater

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