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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Typ schläft im eigenen Bett und verläßt morgens das Haus, um putzen zu gehen.«
    »Um putzen zu gehen?« wiederholte Decambrais verwirrt.
    »Er ist Putzfrau.«
    »Und Pestspezialist?«
    »Sie klöppeln ja auch.«
    »Die hier wird er nicht rausbekommen«, prophezeite Decambrais nach kurzem, trotzigem Schweigen.
    »Er wird.«
    Der alte Mann fuhr sich durch sein weißes Haar, richtete seine blaue Krawatte und verschwand im Dunkel seines Arbeitszimmers, wo es keinen Rivalen gab.
    Das Donnergrollen des Normannen fegte über den Platz, und unter leichtem Nieselregen begab man sich in Richtung Viking, wobei man den in Gegenrichtung auffliegenden Tauben aus dem Weg ging.
    »Tut mir leid, Bertin«, sagte Adamsberg. »Ich habe Ihre Öljacke mit nach Marseille genommen.«
    »Ihre ist inzwischen trocken. Meine Frau hat sie Ihnen gebügelt.«
    Bertin holte sie unter der Theke hervor und legte dem Kommissar das saubere, sorgfältig gefaltete Bündel auf den Arm. Seit dem Kauf hatte die Leinenjacke nicht mehr so ausgesehen.
    »Sag mal, Bertin, schleimst du dich jetzt bei den Bullen ein? Man führt dich an der Nase herum, und du bettelst um mehr?«
    Der große Normanne wandte den Kopf nach demjenigen um, der gerade gesprochen hatte und jetzt hämisch grinste, während er seine Papierserviette zwischen seinen massigen Hals und den Hemdkragen steckte und zu essen beginnen wollte.
    Der Sohn des Thor kam hinter seiner Theke hervor, ging auf den Tisch zu, wobei er ein paar Stühle umwarf, erreichte den Mann, packte ihn am Hemd und zog ihn brutal nach hinten. Als der Bursche lauthals brüllend protestierte, versetzte Bertin ihm zwei Ohrfeigen, zerrte ihn mit einem Arm zur Tür und warf ihn auf den Platz.
    »Komm bloß nicht auf die Idee, dich hier noch mal blicken zu lassen, für Misthaufen deiner Art gibt's im Viking keinen Platz.«
    »Dazu hast du kein Recht, Bertin!« schrie der Typ und stand mühsam auf. »Du bist ein öffentliches Lokal! Du hast kein Recht, dir deine Kundschaft auszusuchen!«
    »Ich such mir die Bullen aus, und ich such mir die Leute aus«, antwortete Bertin und schlug die Tür zu. Dann fuhr er sich mit seiner breiten Hand durch sein helles Haar, strich es nach hinten und nahm würdevoll und schweigend wieder seinen Platz hinter der Theke ein.
    Adamsberg setzte sich rechts unter den Bug.
    »Essen Sie da zu Mittag?« fragte Bertin.
    »Ich esse zu Mittag und mach's mir hier bis zum Ausrufen gemütlich.«
    Bertin nickte. Er mochte die Bullen genausowenig wie jeder andere, aber dieser Tisch gehörte Adamsberg ad vitam aeternam.
    »Ich verstehe nicht, was Sie an diesem Platz finden«, sagte der Normanne, während er mit ausladenden Bewegungen den Tisch abwischte, um seinem Gast einen sauberen Platz zu bieten. »Es wär hier doch ziemlich langweilig, wenn es Joss nicht gäbe.«
    »Eben«, erwiderte Adamsberg. »Ich warte auf Joss.«
    »Na gut«, sagte Bertin. »Da haben Sie noch fünf Stunden vor sich, aber jedem seine Methode.«
    Adamsberg legte sein Handy neben den Teller und ließ den Blick darauf ruhen. Camille, verdammt, ruf an. Er nahm es, drehte es in die eine Richtung, dann in die andere. Dann gab er ihm einen leichten Schubs. Das Gerät drehte sich um sich selbst, wie beim Roulette. Möglich, daß es ihm egal war. Aber ruf an. Da nun schon alles egal ist.
    Am Nachmittag rief Marc Vandoosler an.
    »Nicht leicht«, sagte er im Tonfall eines Mannes, der den ganzen Tag eine Nadel im Heuhaufen gesucht hat.
    Zuversichtlich wartete Adamsberg die Antwort ab.
    »Châtellerault«, fuhr Vandoosler fort. »Ein später Bericht von den Ereignissen.«
    Adamsberg gab die Information an Danglard weiter.
    »Châtellerault«, vermerkte Danglard. »Das heißt, die Generalkommissare Levelet und Bourrelot. Ich alarmiere sie.«
    »Gibt es Vieren in Troyes?«
    »Noch nicht. Die Journalisten haben die Botschaft noch nicht entschlüsseln können, so wie sie es für Marseille getan haben. Ich muß auflegen, Kommissar. Die Kugel ruiniert gerade den neuen Putz.«
    Adamsberg legte auf und brauchte einen Moment, bis er begriff, daß Danglard gerade von der Katze gesprochen hatte. Zum fünftenmal an diesem Tag sah er seinem Handy in die Augen, von Angesicht zu Angesicht.
    »Klingle«, murmelte er. »Rühr dich. Es war eine Kollision, und es wird weitere geben. Darum brauchst du dich nicht zu kümmern, was geht dich das an? Es sind meine Kollisionen und meine Geschichten. Laß sie mir. Klingle.«
    »Ist das ein Ding mit Spracherkennung?«

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